Ein Blick auf meinen (bald) ehemaligen Arbeitsplatz II

In den letzten elf Jahren werde ich 413 Predigten von dieser schlichten und mir nun so vertrauten Kanzel gehalten haben.

Davon hielt ich 136 Predigten zu einem AT-Text, während 266 Predigten einen NT-Text zur Grundlage hatten. Die übrigen 11 Predigten waren sogenannte Themenpredigten – mit Bezügen zu diversen Bibeltexten. Insgesamt habe ich 45 verschiedene Bibelbücher meinen Predigten zugrunde gelegt. Die Verteilung ist da aber recht ungleichmäßig. So habe ich Predigtreihe durch komplette Bücher gehalten: Joel, Habakkuk, Maleachi, Markus, Galater, Philipper, Kolosser, 1. + 2. Thessalonicher, Titus und Judas. Es gab auch Predigtreihen durch größere Textabschnitte: Jakob (1. Mose), Auszugsgeschichte (2. Mose), 1. Samuel 1-15, Elia (1. Könige), Sprüche 1-8, Abschiedsreden Jesu (Johannes 13-16) und Epheser 1. Dieses fortlaufende Predigen hat den Schwerpunkt meines Predigtdienstes ausgemacht.

Auf der anderen Seite habe ich aus manchen Büchern auch nur einzelne Texte herausgegriffen, z.B. aus 4. Mose, Esra, Prediger, Hohelied, Sacharja oder 2. Petrus.

Da mir nach Apg 20,27 ein großes Anliegen ist, den „ganzen Ratschluss Gottes“ zu verkündigen, habe ich versucht Doppelungen zu vermeiden: Dennoch habe ich über insgesamt 21 Texte (meist in etwas anderer Abgrenzung) zwei Mal gepredigt. Und über 2 Texte sogar drei Mal: nämlich Lukas 2,8-20 und Gal 4,4-7. Wenig überraschend sind beides klassische Weihnachtstexte.

Bei allem Streben nach Ausgewogenheit und Abwechslung (AT – NT – verschiedene Bibelgattungen – und Themen), darf natürlich das Wichtigste niemals aus dem Blick geraten. Nicht umsonst ist bei uns hinter der Kanzel das große Kreuz zu sehen. Dreh- und Angelpunkt jeder christlichen Verkündigung muss stets Jesus Christus und das Evangelium sein. Wahre Predigt und Bibelauslegung haben wir nur dort, wo Jesus Christus und sein versöhnendes Werk am Kreuz dargelegt und großgemacht wird. Es ist mein Gebet, dass mir dies in den letzten Jahren gelungen ist.

Der Römerbrief: Das Evangelium von der Gerechtigkeit Gottes

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Der Römerbrief ist der längste und bedeutendste Brief des Neuen Testaments. In ihm legt der Apostel Paulus eine relativ systematische Darstellung „seines Evangeliums“ vor. Aus diesem Grund hat der Römerbrief in der Kirchengeschichte eine beeindruckende Wirkung erzielt. Für zahlreiche Theologen wie Augustinus, Martin Luther, Johannes Calvin oder auch John Wesley war dieses Brief von zentraler Bedeutung. So erkannte z.B. Martin Luther durch das Studium von Röm 1,16-17, dass allein Gottes Gnade und nicht die guten Werke den Menschen vor Gott gerecht sein lässt – der wesentliche Gedanke, der zum Anstoß für die ganze Reformation wurde.

Der Apostel Paulus verfasste diesen Brief vermutlich während seiner dritten Missionsreise aus der Hafenstadt Korinth im Jahr 57/58 aus. Dafür spricht die Erwähnung der Phöbe, die zusammen mit dem Brief unterwegs war (Röm 16,1-2) und im Dienst der Gemeinde in Kenchreä stand, der Hafenstadt bei Korinth. Mit dem Römerbrief wollte sich Paulus mitsamt seiner Lehre der Gemeinde in der Welthauptstadt Rom vorstellen. Er wollte ihnen erklären, warum er bisher noch nicht ihre Gemeinde besucht hatte (Röm 15,20-22), ihnen mitteilen, dass er dies vorhabe (Röm 15,23-24) und dass er auf ihre Unterstützung für eine Weiterreise nach Spanien hoffe (Röm 15,24).

Der Römerbrief lässt sich in sechs Teile gliedern:

  1. Der Briefanfang (Röm 1,1-17), in dem Paulus eine Einführung in das Thema seines Briefes gibt, mit dem markanten und programmatischen Abschluss in 1,16-17.
  2. Der Kern des Evangeliums: Rechtfertigung durch Glauben (Röm 1,18-4,25). Paulus verdeutlicht zunächst die universelle Herrschaft der Sünde über alle Menschen (1,18-3,20) und erklärt danach, wie Gott den Sünder durch Glauben rechtfertigt (3,21-31) und veranschaulicht dies dann am Beispiel Abrahams (4,1-25).
  3. Die Folgen des Evangeliums: Wachstum in der von Gott geschenkten Gerechtigkeit (Röm 5,1-8,39). Paulus erklärt, dass durch Jesus Christus echter Friede mit Gott möglich ist (Röm 5,1-21). Er verdeutlicht ferner, wie der Gläubige durch die Rechtfertigung aus der Gefangenschaft der Sünde befreit ist (Röm 6,1-23) und dass er nicht länger an das Gesetz gebunden ist (Röm 7,1-25). Dieser Hauptteil schließt damit ab, dass es nun gilt „im Geist“ zu leben (Röm 8,1-39), der neues Leben geschenkt hat und ebenso der Unterpfand für das zukünftige ewige Leben in Herrlichkeit ist.
  4. Das Evangelium und seine Beziehung zu Israel (Röm 9,1-11,36). Paulus erörtert die schwierige Frage, wie Gottes Geschichte mit Israel weitergehen wird, da er Israel einerseits Verheißungen gegeben hat, der Großteil Israels aber andererseits das Evangelium bisher abgelehnt hat.
  5. Die Veränderungen durch das Evangelium (Röm 12,1-15,13). In den letzten Kapiteln gibt Paulus – wie in allen seinen Briefen üblich – eine Vielzahl konkreter, praktischer Anweisungen. Hier im Römerbrief liegt der Schwerpunkt darauf, zu zeigen, wie das Evangelium das Verhalten des gläubigen Christen total erneuert (Röm 12,1-2!) – z.B. im Hinblick auf den Dienst aneinander (Röm 12,3-8), gegenüber den weltlichen Herrschern (Röm 13,1-7) oder in der Bereitschaft der gegenseitigen Rücksichtnahme (Röm 14,1-15,13).
  6. Der Briefschluss (Röm 15,14-16,27). Paulus schließt seinen Brief ab, indem er seine Reisepläne mitteilt (Röm 15,14-33) und zahlreiche Grüße übermittelt (Röm 16).

Aus dem Römerbrief kann man unendlich viel lernen. Als Anregung mal nur zwei eher allgemeine Fragen, die man auf jeden Abschnitt anwenden kann:

  1. Was lerne ich in diesem Abschnitt über das Evangelium der Gerechtigkeit Gottes?
  2. Was folgt daraus für mich praktisch, wenn ich diese Sicht mir zu Eigen mache?

Schlüsselvers: Denn ich schäme mich des Evangeliums nicht; denn es ist eine Kraft Gottes, die selig macht alle, die daran glauben, die Juden zuerst und ebenso die Griechen.  Denn darin wird offenbart die Gerechtigkeit, die vor Gott gilt, welche kommt aus Glauben in Glauben; wie geschrieben steht: »Der Gerechte wird aus Glauben leben.«“ (Röm 1,16-17)


Dieser Text wurde anlässlich der 5x5x5-Bibelleseaktion meiner Gemeinde, der EFG Borken, verfasst. Er soll den Lesern eine kurze Einführung in die Apostelgeschichte geben. Mehr zur Aktion 5x5x5 und wie auch du mit dabei sein kannst, findest du hier.

Predigt: Durch sein Blut erlöst

„In ihm haben wir die Erlösung durch sein Blut, die Vergebung der Sünden, nach dem Reichtum seiner Gnade (Eph 1,7)

„Nach dem Reichtum seiner Gnade“ – was heißt das? Denken wir an einen Multimillionär, einen sympathischen, spendablen Multimillionär mit einem großen Herz. Immer wieder kommen Leute zu ihm, die in Not sind und er hilft ihnen gerne und gibt ihnen Geld, um ihre Notlage zu beseitigen. Dem einen vielleicht 100 Euro, manchem auch 2.000 Euro – je nach dem. Gewiss eine echte Hilfe und doch für diesen reichen Mann zu verschmerzen. Er gibt diesen bedürftigen Menschen ja lediglich einen kleinen Teil von dem Reichtum seines Vermögens.

Was würde es aber bedeuten, wenn er diesen nach dem Reichtum seines Vermögens geben würde? Nach seinem Reichtum? Gemäß seines Reichtums? Entsprechend seines Reichtums? Es würde vielleicht bedeuten, dass er jemandem nicht nur mit 500 Euro aus der gröbsten Not heraushilft, sondern ihm eine große Villa schenkt – etwas was seinem Reichtum wirklich entspricht und damit er leben kann wie er. Das ist der Unterschied!

Wenn es hier also heißt, dass Gott uns nach dem Reichtum seiner Gnade beschenkt, dann bedeutet das, dass er uns mit dem grenzenlosen Reichtum seiner Gnade beschenkt. Erlösung heißt nicht also nur, dass wir losgekauft sind aus der Macht der Finsternis. Erlösung bedeutet auch nicht nur, dass uns volle Sündenvergebung geschenkt ist. Es bedeutet, dass wir Gott uns nun auf ewig hin freundlich zugewandt ist, uns seine Gunst gilt. Es heißt, dass er uns mit Güte und Liebe behandelt und seine Gnade überreich überaus ausschüttet. Denn Gott gibt uns nicht nur eine Kleinigkeit von dem Reichtum seiner Gnade“, sondern nach dem Reichtum seiner Gnade“

Das alles gilt dir, wenn du persönlich zu Jesus Christus gehörst. Ist das so bei dir? Gehörst du zu ihm?

Wir gehören ja nicht einfach zu Christus, nur weil wir dem Namen nach Christen sind. Weil wir getauft, gefirmt, christlich erzogen sind.Weil wir im [noch] christlichen Abendland leben, weil wir manchmal den Gottesdienst besuchen. Nein!

Die entscheidende Frage ist: Hast du diesen persönlichen Glauben an Jesus Christus? Glaubst du, dass er der Sohn Gottes ist, der dich durch seinen Tod mit Gott versöhnt hat? Glaubst du, dass er auferweckt wurde und jetzt der Herr der Welt ist? Und willst du dein Leben ganz unter seine Herrschaft stellen?

Hier kannst du die ganze Predigt „Durch sein Blut erlöst“ nachhören.

John Piper über den Grund der Predigt

„Wer den Menschen ist Zentrum stellt, staunt, dass Gott seinen Geschöpfen Leben und Freude entzieht. Aber die gottzentrierte Bibel staunt, dass Gott Sünder vor dem Gericht verschont. (…) Das grundlegende Problem beim Predigt ist die Frage, wie ein Prediger Sündern Hoffnung machen kann angesichts von Gottes unumstößlicher Gerechtigkeit – egal, ob unsere humanistische Zeit ein Gespür dafür hat oder nicht. (…)

Ohne das Kreuz würde sich die Gerechtigkeit Gottes nur in der Verdammung von Sündern zeigen, und das Ziel des Predigens wäre hinfällig – Gott würde nicht durch die Freude seiner sündigen Geschöpfe verherrlicht werden. Seine Gerechtigkeit würde lediglich in ihrem Verderben zum Tragen kommen. (…)

Was Gott mit dem Kreuz Christi erreichte, bietet die Berechtigung beziehungsweise die Grundlage des Predigens. Ohne das Kreuz wäre Predigen unberechtigt. Das Ziel des Predigens würde einen unlösbaren Widerspruch beinhalten – die Verherrlichung eines gerechten Gottes durch die Freude sündiger Menschen. Aber das Kreuz hat die zwei Seiten des Predigtziels zusammengebracht, obwohl sie hoffnungslos unvereinbar schienen: 1. die Rechtfertigung und Erhebung von Gottes Herrlichkeit und 2. die Hoffnung und Freude des Sündern.“

John Piper, Ihn verkündigen wir: Die Zentralität Gottes in Predigt und Verkündigung, Betanien, 2006, 32-34.

John Piper über das Ziel der Predigt

„Das Wunder des Evangeliums und die befreiendste Entdeckung, die ich als Sünder je gemacht habe, ist dies: dass Gottes tiefste Entschlossenheit, verherrlicht zu werden, und mein tiefstes Verlangen nach Erfüllung nicht im Widerspruch stehen, sondern vielmehr beide harmonisch erfüllt werden, indem Gott seine Herrlichkeit offenbart und ich mich an seiner Herrlichkeit erfreue. Das Ziel der Predigens ist daher die Verherrlichung Gottes, die darin zum Ausdruck kommt, dass sich der Zuhörer Gott in seinem Herzen freudig unterwirft. Und die Priorität Gottes in der Predigt wird hierdurch sichergestellt: Der, der Erfüllung schenkt, bekommt die Ehre; der, der die Freude schenkt, ist der Schatz.“

John Piper, Ihn verkündigen wir: Die Zentralität Gottes in Predigt und Verkündigung, Betanien, 2006, 27f.

Was Christi Tod für uns bedeutet

„Er hat sich in die Gewalt des Todes begeben, nicht um von diesem verschlungen zu werden, sondern um ihn, der doch uns zu verschlingen drohte, selbst zu verschlingen! Er hat sich dem Tod unterworfen, nicht um von seiner Macht erdrückt zu werden, sondern um ihn selbst zu Boden zu werfen, der doch uns allezeit drohte und schon über unseren Sturz frohlockte! Endlich ist er gestorben, um durch den Tod den zunichte zu machen, der des Todes Gewalt hat, das ist: den Teufel, und um die zu erlösen, „die durch Furcht des Todes im ganzen Leben Knechte sein mussten!“ (Hebr 2,15). Das ist die erste Frucht, die uns sein Tod gebracht hat.

Die zweite Wirkung des Todes Christi für uns ist die, dass er uns in die Gemeinschaft seines Sterbens hineinzieht; dadurch hat er unsere irdischen Glieder getötet, so dass sie nicht weiter ihr böses Werk tun, dadurch hat er auch unseren alten Menschen zunichte gemacht, dass er jetzt nicht mehr gedeiht und seine Früchte bringt! Und dazu ist er auch begraben worden, nämlich, dass wir jetzt selbst mit an seinem Begräbnis teilhaben und damit auch der Sünde begraben werden. Denn nach Paulus sind wir Christo durch einen gleichen Tod einverleibt, und mit ihm sind wir begraben und dadurch der Sünde gestorben; durch sein Kreuz ist „uns die Welt gekreuzigt und wir der Welt!“ (Gal 2,19; 6,14). Aber damit will uns der Apostel nicht etwa bloß ermuntern, das Vorbild seines Todes gewissermaßen an uns zu Darstellung und Ausdruck zu bringen; sondern er erklärt uns, dass in dem Tode Christi eine solche Kraft wohnt, die nun in allen Christenmenschen sichtbar werden muss, wenn sie den Tod Christi an sich nicht nutzlos und fruchtlos machen wollen!“

Johannes Calvin, Institutio II,16,7.

Prüft die Geister!

„Ihr Lieben, glaubt nicht einem jeden Geist, sondern prüft die Geister, ob sie von Gott sind; denn es sind viele falsche Propheten ausgegangen in die Welt.Daran sollt ihr den Geist Gottes erkennen: Ein jeder Geist, der bekennt, daß Jesus Christus in das Fleisch gekommen ist, der ist von Gott; und ein jeder Geist, der Jesus nicht bekennt, der ist nicht von Gott. Und das ist der Geist des Antichrists, von dem ihr gehört habt, daß er kommen werde, und er ist jetzt schon in der Welt.“ (1Joh 4,1-3)

Prüft die Geister

Johannes möchte nicht, dass seine Leser leichtgläubig jedem Verkündiger vertrauen, der so dahergelaufen kommt. Kritische Prüfung ist nötig, weil es eben auch viele „falsche Propheten“ gibt. Auch Jesus hat schon davor gewarnt, falschen Verkündigern nicht auf den Leim zu gehen (Mt 7,15). An dieser Stelle geht es nicht darum, jedem Prediger mit einer übertriebenen Kritiksucht zu begegnen, noch sind wir dazu aufgefordert wegen kleinerer Meinungsverschiedenheiten einen Streit vom Zaun zu brechen. Nein, es geht um das große Ganze: „Prüft die Geist, ob sie von Gott sind.“ Ja, es gibt die Möglichkeit, dass in christlichen Kreisen Verkündiger unterwegs sind, die nicht von Gottes Geist geleitet sind. Soviel Realismus muss sein. Darum ist Prüfung nötig!

Nur zwei Möglichkeiten

Wie für Paulus (vgl. Eph 2,2), so gibt es auch für Johannes nur zwei Möglichkeiten: entweder jemand ist von Gottes Geist geleitet oder aber der Geist des Antichrists, d.h. des Teufels, beherrscht ihn. Eine neutrale Sphäre gibt es hier nicht. Darum ist es so wichtig, hier gründlich zu prüfen, weil man sonst sich keinen neutralen, sondern einen teuflischen Geist ins Haus holt. Gleichwohl macht uns das auch deutlich, wie wichtig es ist, dass wir uns selbst fest an Jesus Christus binden, damit sich sein guter Geist immer stärker Raum in uns verschafft.

Welcher Geist spricht da?

Woran kann man nun erkennen, welcher Geist in jemandem wirkt? Johannes sagt: Ein jeder Geist, der bekennt, daß Jesus Christus in das Fleisch gekommen ist, der ist von Gott.“ Zur Zeit von Johannes war die falsche Vorstellung sehr verbreitet, dass Jesus Christus zwar Gott aber nicht wahrer Mensch gewesen sei. Gott habe sich quasi als Mensch verkleidet, als er in Jesus über diese Erde lief. Insofern war für Johannes die Sache klar: Wer sich dazu bekennt, dass Jesus ins Fleisch gekommen ist, d.h. wahrer Mensch geworden ist, in dem ist der Geist Gottes aktiv. Denn das war die entscheidene Frage, an der sich die Geister schieden. Gott sei Dank ist diese Lehre heutzutage nicht mehr umstritten. Aber es sind andere gewichtige Fragen, an denen sich heute die Geister scheiden. Z.B.: Ist Jesus Christus der einzige Weg zu Gott? Ist Jesus Christus leibhaftig von den Toten auferstanden? Ist Jesus Christus einen stellvertretenden Sühnetod gestorben? Kurzgesagt: ein Mensch, in dem der Geist Gottes wirkt, wird sich möglicherweise noch in vielen Dingen irren oder andere Meinungen vertreten als wir, aber zu allen Fragen an denen das Evangelium im Kern hängt, wird er sich mit Freude bekennen!

Soziales Engagement – Hauptaufgabe der Kirchen?

Eine Umfrage im Auftrag von Idea kam kürzlich zu dem Ergebnis, dass die Menschen in Deutschland von den Kirchen in erster Linie soziales Engagement erwarten (43%). Klar, soziales Engagement ist sympathisch und kommt immer und überall gut an. Auch unter freikirchlichen Christen ist die Erwartung an soziales Engagement sehr hoch (48%) und wird nur knapp von der Erwartung, dass die Kirchen den „Zugang zu Gott eröffnen“ (53%), übertroffen.

Nun ist soziales Engagement zweifellos eine sehr gute Sache – und Christen in allen Jahrhunderten haben hier Außerordentliches geleistet. Doch – und das muss in aller Klarheit gesagt werden – der Hauptauftrag der christlichen Gemeinde ist es nicht. Jesus Christus, der Herr der Gemeinde, hat sie ins Leben gerufen, um Jünger zu machen: „Darum gehet hin und machet zu Jüngern alle Völker.“ (Mt 28,19a). Soziales Engagement bzw. christliche Liebestätigkeit ist also nicht der Kern der Sache. Es erwächst vielmehr aus der Begegnung mit Gottes rettender Gnade in Jesus Christus ganz natürlich und zwangsläufig.

Kirchen und Gemeinden müssen an dieser Stelle aufpassen, sich dem Erwartungsdruck der Gesellschaft nicht zu beugen. Denn klar ist, dass soziales Engagement mit Applaus und öffentlicher Anerkennung bedacht wird, evangelistische Bemühungen dagegen zunehmend als fundamentalistisch empfunden werden. Dennoch sind wir Jesus Christus und seinem Wort verpflichtet und weder den Erwartungen der Mehrheitsgesellschaft noch den Wünschen der eigenen Gemeindemitglieder.

Übrigens: wer Diakonie und soziales Engagement fördern will, muss nicht große Diakoniekonzerne gründen oder der Ortsgemeinde künstlich soziale Projekte überstülpen (die dann womöglich noch auf Kosten evangelistischer Aktivitäten gehen). Vielmehr gilt es das Evangelium von Jesus Christus in den Mittelpunkt des Gemeindelebens zu stellen! D.h. dieses Evangelium zu predigen, diese Botschaft aktiv zu den Menschen zu bringen (ja, durch Worte) und auch den langjährigen Nachfolgern Jesu das Evangelium immer kostbarer zu machen! Denn die Menschen müssen diese einzigartige Liebe Gottes – die sich darin zeigt, dass Gott selbst seinen eigenen Sohn nicht verschonte, sondern ihn für uns dahingab (vgl. Röm 8,32), und zwar als wir noch Sünder waren (Röm 5,8) – persönlich erfahren! Wenn wir von dieser Liebe Gottes, wie sie sich im Evangelium Jesu manifestiert, ergriffen sind, dann werden wir aus Dank und Liebe zu unserem Erlöser ganz natürlich danach trachten, „Gutes zu tun an jedermann, allermeist aber an des Glaubens Genossen.“ (Gal 6,10).

Zu dem Verhältnis von sozialem Engagement und dem eigentlichen Missionsauftrage Jesu ist übrigens das Buch „Was ist der Missions-Auftrag der Gemeinde Jesu?“ von Greg Gilbert und Kevin DeYoung sehr zu empfehlen!

Ein Risiko, das sich lohnt

„Und es geschah nach einiger Zeit, dass der Bach vertrocknete; denn es war kein Regen im Lande. Da kam das Wort des HERRN zu ihm: Mach dich auf und geh nach Sarepta, das zu Sidon gehört, und bleibe dort; denn ich habe dort einer Witwe geboten, dass sie dich versorge. Und er machte sich auf und ging nach Sarepta. Und als er an das Tor der Stadt kam, siehe, da war eine Witwe, die las Holz auf. Und er rief ihr zu und sprach: Hole mir ein wenig Wasser im Gefäß, dass ich trinke! Und als sie hinging zu holen, rief er ihr nach und sprach: Bringe mir auch einen Bissen Brot mit! Sie sprach: So wahr der HERR, dein Gott, lebt: Ich habe nichts Gebackenes, nur eine Handvoll Mehl im Topf und ein wenig Öl im Krug. Und siehe, ich habe ein Scheit Holz oder zwei aufgelesen und gehe heim und will’s mir und meinem Sohn zubereiten, dass wir essen – und sterben. Elia sprach zu ihr: Fürchte dich nicht! Geh hin und mach’s, wie du gesagt hast. Doch mache zuerst mir etwas Gebackenes davon und bringe mir’s heraus; dir aber und deinem Sohn sollst du danach auch etwas backen. Denn so spricht der HERR, der Gott Israels: Das Mehl im Topf soll nicht verzehrt werden, und dem Ölkrug soll nichts mangeln bis auf den Tag, an dem der HERR regnen lassen wird auf Erden. Sie ging hin und tat, wie Elia gesagt hatte. Und er aß und sie auch und ihr Sohn Tag um Tag. Das Mehl im Topf wurde nicht verzehrt, und dem Ölkrug mangelte nichts nach dem Wort des HERRN, das er geredet hatte durch Elia.“
(1Könige 17,7-16)

Eine echte Herausforderung

Der Prophet Elia fordert diese Witwe stark heraus:„Mach mir zuerst etwas zu Essen und dann dir selbst!“ -„Dann mir selbst, wenn ich nichts mehr habe?“, würde jeder normale Mensch denken. Denn die Aufforderung Elias ist im Grunde eine lebensverkürzende Maßnahme – so groß ist ihre Not in diese Dürreperiode.

Ein großer Glaubensschritt

Das Erstaunliche ist, dass die Witwe dennoch das tut, was der Mann Gottes ihr sagt. Aber warum um alles in der Welt tut sie das?
Ich glaube, weil sie ahnt, dass sie etwas von unschätzbarem Wert gewinnen kann. Sie hat den Eindruck, dass sie nichts verlieren wird, wenn sie das wenige gibt, was sie jetzt noch hat. Sie weiß sicher nicht genau, was passieren wird, aber offenbar hat sie diese Ahnung, dieses Vertrauen, dass es nicht zu ihrem Nachteil sein wird, wenn sie auf Elia hört. Nein, vielmehr vertraut sie darauf, dass sich dieses Risiko für sie auszahlen wird.
Und so kommt es dann ja auch. Die wenige Nahrung, die sie hat und mit der sie Elia versorgt, verliert sie – man könnte sagen, sie investiert sie und sie gewinnt, dass Gott sie mit einem Wunder durch die ganze Hungersnot hindurch tagtäglich versorgt. Ein wahrhaft guter Deal.
Solche Wunder berichten uns nicht nur, was Gott einmal getan hat, sondern sie wollen uns auch immer etwas lehren. Durch solche Geschichten soll  uns also veranschaulicht werden, wie Gott ist, wie das Evangelium ist oder wie der Glaube ist. Und so ist es auch hier. Jesus beschreibt einmal in einem kurzen Gleichnis das Reich Gottes: Das Himmelreich gleicht einem Schatz, verborgen im Acker, den ein Mensch fand und verbarg; und in seiner Freude ging er hin und verkaufte alles, was er hatte, und kaufte den Acker” (Mt 13,44). Was dieser Mann in dem Gleichnis tut, erinnert mich sehr an diese Witwe. Alles was er hat, verkauft er und investiert es in diesen Acker. Aber er tut es nicht missmutig, nicht gequält, nicht weil es unbedingt sein muss, sondern er tut es mit Freude und persönlicher Überzeugung! Niemand zwingt ihn, er tut es freiwillig und gern.

Es lohnt sich, unser Leben für Jesus hinzugeben

Nun, wir wissen nicht, wie die Frau sich gefühlt hat in dieser Situation. Aber in V. 15 steht: „Sie ging hin und tat, wie Elia gesagt hat.“ Keine Zweifel, kein Überlegen – sie handelt sofort, ist zielorientiert, verliert keine Zeit. Ich glaube, weil sie geahnt hat, dass das was dieser hebräische Prophet ihr hier sagt, Gottes Stimme ist und dass dieser Gott Israels es gut mit ihr meint. „Wenn ich tue, was er sagt, wird es nicht zu meinem Schaden sein“ – so hat sie geglaubt. Von Jim Elliot, dem bekannten Missionar, ist das Zitat überliefert: Der ist kein Narr, der hingibt, was er nicht behalten kann, um damit zu gewinnen, was er nicht verlieren kann.“ Im Grunde wars bei der Frau ganz ähnlich: ihre Vorräte gingen schon zu Ende, bald wäre sowieso Schluss gewesen. Sie gibt das, was sie nicht behalten kann, was unaufhaltsam zu Neige geht weg und gewinnt eine nicht endende und nicht zu verlierende Versorgung.

Das lehrt uns auch etwas über das Wesen des Glaubens. Wenn wir Christen sind, dann geben wir unser Leben Jesus hin. Wir sagen: „Du bist der Gott, der die Welt geschaffen hat, der heilig und gerecht ist, und dem unsere ganze Anbetung gebührt.“ Und wir gestehen Gott gegenüber ein: „Ich habe gegen dich gesündigt, ich bin schuldig geworden, ich habe deine Strafe verdient. Aber Gott, weil du mich liebst und mich retten willst und dafür Jesus, deinen geliebten Sohn hast kreuzigen und sterben lassen, darum komm du jetzt in mein Leben Jesus, übernimm du die Kontrolle in meinem Leben, sei du mein Herr, erneuere mich durch den Heiligen Geist, ich will mich dir unterordnen!“ Wenn wir das tun, dann verlieren wir „unser“ Leben, wir verlieren unsere Eigenständigkeit. Aber im Grunde geben wir mit unserem Leben etwas hin, was – wie die Vorräte bei der Frau – sowieso schon zu Ende geht. Denn unser Leben läuft unweigerlich auf den Tod zu – und ohne Christus auf das große Verderben. Dafür gewinnen wir ein Leben mit Christus: Jetzt und in Ewigkeit. Wir gewinnen die Verheißungen Gottes, wir gewinnen die Versorgung Gottes, wir gewinnen etwas, was unendlich wertvoll ist. Darum ist es weise, mein Leben Jesus hinzugeben und mich Gottes Wort unterzuordnen.Wer Gottes Verheißungen glaubt, in Anspruch nimmt, danach handelt, der wird versorgt, der kommt nicht zu kurz, dem ist es nicht zum Nachteil – darum kann Jesus sagen: Trachtet zuerst nach dem Reich Gottes und nach seiner Gerechtigkeit, so wird euch das alles zufallen.“ (Mt 6,33)

Von Gottes Liebe ergriffen

„Seht, welch eine Liebe hat uns der Vater erwiesen, daß wir Gottes Kinder heißen sollen – und wir sind es auch!“ (1Joh 3,1a)

Was hat Johannes wohl empfunden, als er diese Worte schrieb? Was können wir heraushören, wenn wir auf den Ton in diesen Zeilen achten?

Ich spüre aus diesen Zeilen eine große Begeisterung, ja ein echtes Erstaunen heraus über diese wunderbare Wirklichkeit, dass Gott uns durch Christus tatsächlich zu seinen Kindern macht. Obwohl diese grundlegende Heilstatsache dem Johannes seit vielen Jahrzehnten bekannt war, ist er noch immer ergriffen davon. Die Liebe Gottes, die sich in seinem Erlösungshandeln zeigt, beeindruckt Johannes nach wie vor.

Ich wünsche mir das auch für mich. Dass ich mich nicht daran gewöhne, ein Kind Gottes zu sein. Dass es für mich nicht zur langweiligen Selbstverständlichkeit wird, dass Gott seinen vollkommenen Sohn geopfert hat, um mich zu erlösen. Nein, dass ich vielmehr davon ergriffen bleibe, dass Gottes Liebe zu mir so groß war, dass er Jesus in den Tod gab. Ich wünsche mir auch, dass ich – wie Johannes – begeistert und begeisternd davon reden kann. Dass ich das anderen mitgeben kann, „seht““, „schaut hin“, „passt auf“, „überseht doch nicht!“ Denn was Gott für uns getan hat, ist ja nicht eine Information zum Hören und Abhaken, sondern die frohe Botschaft, die unser Leben verändert!