Der Gott der großen Umkehrungen

21 Und als der Mann Elkana hinaufzog mit seinem ganzen Hause, um das jährliche Opfer dem HERRN zu opfern und sein Gelübde zu erfüllen, 22 zog Hanna nicht mit hinauf, sondern sprach zu ihrem Mann: Wenn der Knabe entwöhnt ist, will ich ihn bringen, daß er vor dem HERRN erscheine und dort für immer bleibe. 23 Ihr Mann Elkana sprach zu ihr: So tu, wie dir’s gefällt! Bleib, bis du ihn entwöhnt hast; der HERR aber bestätige, was er geredet hat. So blieb die Frau und stillte ihren Sohn, bis sie ihn entwöhnt hatte. 24 Nachdem sie ihn entwöhnt hatte, nahm sie ihn mit sich hinauf nach Silo, dazu einen dreijährigen Stier, einen Scheffel Mehl und einen Krug Wein und brachte ihn in das Haus des HERRN. Der Knabe war aber noch jung. 25 Und sie schlachteten den Stier und brachten den Knaben zu Eli. 26 Und sie sprach: Ach, mein Herr, so wahr du lebst, mein Herr: ich bin die Frau, die hier bei dir stand, um zum HERRN zu beten. 27 Um diesen Knaben bat ich. Nun hat der HERR mir die Bitte erfüllt, die ich an ihn gerichtet hatte. 28 Darum gebe ich ihn dem HERRN wieder sein Leben lang, weil er vom HERRN erbeten ist. Und sie beteten dort den HERRN an. LUT 1 Samuel 2:1 Und Hanna betete und sprach: Mein Herz ist fröhlich in dem HERRN, mein Haupt ist erhöht in dem HERRN. Mein Mund hat sich weit aufgetan wider meine Feinde, denn ich freue mich deines Heils. 2 Es ist niemand heilig wie der HERR, außer dir ist keiner, und ist kein Fels, wie unser Gott ist. 3 Laßt euer großes Rühmen und Trotzen, freches Reden gehe nicht aus eurem Munde; denn der HERR ist ein Gott, der es merkt, und von ihm werden Taten gewogen. 4 Der Bogen der Starken ist zerbrochen, und die Schwachen sind umgürtet mit Stärke. 5 Die da satt waren, müssen um Brot dienen, und die Hunger litten, hungert nicht mehr. Die Unfruchtbare hat sieben geboren, und die viele Kinder hatte, welkt dahin. 6 Der HERR tötet und macht lebendig, führt hinab zu den Toten und wieder herauf. 7 Der HERR macht arm und macht reich; er erniedrigt und erhöht. 8 Er hebt auf den Dürftigen aus dem Staub und erhöht den Armen aus der Asche, daß er ihn setze unter die Fürsten und den Thron der Ehre erben lasse. Denn der Welt Grundfesten sind des HERRN, und er hat die Erde darauf gesetzt. 9 Er wird behüten die Füße seiner Heiligen, aber die Gottlosen sollen zunichte werden in Finsternis; denn viel Macht hilft doch niemand. 10 Die mit dem HERRN hadern, sollen zugrunde gehen. Der Höchste im Himmel wird sie zerschmettern, der HERR wird richten der Welt Enden. Er wird Macht geben seinem Könige und erhöhen das Haupt seines Gesalbten. 11 Und Elkana ging heim nach Rama in sein Haus; der Knabe aber war des HERRN Diener vor dem Priester Eli.“ (1Sam 1,21-2,11)

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Gott macht tatsächlich das Unmögliche möglich. Hanna wurde schwanger und bekam einen Sohn: Samuel. Doch warum wird uns diese Geschichte von Hannas persönlicher Not, ihrem Schreien zu Gott und Gottes erstaunlichem Eingreifen eigentlich erzählt? Sicherlich, um anderen Mut zu machen, auch ins Gebet zu gehen. Sicherlich aber auch, weil die Geschichte von Hanna Teil einer größeren Geschichte ist. Sie ist Teil der Geschichte wie Gott seinem Volk einen Retter bringt. Hannas Sohn Samuel würde die böse Herrschaft von Hofni und Pinhas (1Sam 1,3) beenden und das Volk zurück unter Gottes Herrschaft bringen. Hanna war sich über die heilsgeschichtliche Dimension ihrer Erlebnisse durchaus im Klaren, wie wir an ihrem Lobgesang sehen – oder wäre das der Text, den wir dichten würden, wenn wir uns über eine Geburt sehr freuen?! 

Der Schlüsselvers dieses Lobgesangs ist V. 2:  Es ist niemand heilig wie der HERR, außer dir ist keiner, und ist kein Fels, wie unser Gott ist.“ Weil Gott so einzigartig ist, deshalb kann er die Umstände verändern. Weil Gottes Macht so unbeschränkt ist, deshalb kann er das, was uns als unabänderlich erscheint einfach auf den Kopf stellen: „4 Der Bogen der Starken ist zerbrochen, und die Schwachen sind umgürtet mit Stärke. 5 Die da satt waren, müssen um Brot dienen, und die Hunger litten, hungert nicht mehr.“ Oder: 7 Der HERR macht arm und macht reich; er erniedrigt und erhöht.“ Was Gott also für Hanna getan hat – nämlich ihr persönliches Schicksal total auf den Kopf zu stellen – ist ein Hinweis darauf, was Gott einst für Israel (durch Samuel) tun wird: die Rückkehr unter seine gute Herrschaft. Letztendlich ist es ein Hinweis darauf, was Gott für die Menschheit insgesamt tun wird: nämlich einen Retter zu schicken, der uns aus aller Sündennot befreit und zu seinen Kindern macht!

Interessant ist an dieser Stelle noch, sich einmal Gedanken zu machen über die Rolle unfruchtbarer Frauen in Gottes Plan. Erkunde doch einmal, wie es Sarah, Rebekka, Rahel, der Mutter von Simson und Elisabeth erging? Was sind die Parallelen, was sind die Unterschiede zu Hanna? Und warum tauchen eigentlich in der Heilsgeschichte überhaupt soviele Frauen auf, die unfruchtbar waren? Was will uns Gott dadurch verdeutlichen?

Das Markusevangelium: Jesus, der treue Diener Gottes

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Das Markusevangelium ist das kürzeste – und wie viele meinen älteste – der vier Evangelien. Es ist nach seinem Autor, Markus, benannt. Markus – eigentlich Johannes Markus – war zwar kein Apostel, aber er wohnte in Jerusalem und war den Aposteln bekannt (Apg 12,12). Auf der ersten Missionsreise begleitete er als Mitarbeiter Paulus und Barnabas zunächst, verließ sie dann aber wieder (Apg 13,13). Als sich Barnabas und Paulus über die weitere Mitarbeit des Markus stritten und sich wegen dieser Meinungsverschiedenheit trennten, ging Markus mit Barnabas nach Zypern (Apg 15,39). Später arbeitete Markus wieder mit Paulus zusammen und lernte Lukas kennen, der auch ein Mitarbeiter des Paulus war (Kol 4,10.14). Die altkirchliche Überlieferung berichtet uns außerdem davon, dass Markus auch eng mit Petrus (und zwar als dessen Dolmetscher) zusammenarbeitete. Viele Forscher nehmen darum an, dass das Markusevangelium zu großen Teilen auf Petrus Berichte und Erzählungen über das Leben Jesu zurückgeht. Wenn man um die enge Zusammenarbeit von Petrus und Markus weiß, verwundert es auch nicht, dass Petrus Markus „meinen Sohn“ (1Petr 5,13) nennt.

Das Markusevangelium lässt sich in zwei Hauptteile gliedern: Der erste Hauptteil 1,16-8,26 stellt die einzigartige Vollmacht Jesu durch seine Wunder und Lehre heraus. Dieser Hauptteil berichtet hauptsächlich von Jesu Dienst in Galiläa. Der zweite Hauptteil 8,27-16,20 beginnt bemerkenswerter Weise mit dem Bekenntnis des Petrus („Du bist der Christus“, vgl. 8,29). In diesem Hauptteil werden Zweifel an der Vollmacht Jesu thematisiert. Aber schließlich wird deutlich, dass Jesus gerade durch sein Leiden und Auferstehen seine Vollmacht eindrücklich bestätigt. Geographisch finden die meisten Ereignisse dieses Hauptteils auf dem Weg nach Jerusalem bzw. in Jerusalem selbst statt.

Insgesamt ist Markusevangelium ausdrücklich an eine heidnische – im speziellen römische – Leserschaft gerichtet, denn der Evangelist erklärt und übersetzt viele jüdische Gewohnheiten bzw. Begriffe. Markus‘ Ziel ist es, seiner Leserschaft Jesus Christus als den treuen und vollkommenen Knecht Gottes darzustellen, der bedingungslos tut, wozu Gott ihn berufen hat. Dementsprechend betont Markus in seinem Evangelium die Taten Jesu und überliefert deutlich weniger Reden Jesu, als die anderen Evangelien. Durch das Markusevangelium sollten besonders römisch-geprägte Menschen zum Glauben an Jesus kommen (wie der Hauptmann in Mk 15,39), aber auch römisch-geprägte Christen im Glauben erbaut werden und lernen, wie sie Jesus im Vertrauen dienen können. Daraus ergeben sich auch zwei Leitfragen für uns, wenn wir dieses Evangelium lesen:

  1. Wie zeigt sich Jesus hier als der treue Diener Gottes?
  2. Wie kann ich im Vertrauen auf Jesus Gott treu dienen?

Schlüsselvers: „Denn auch der Menschensohn ist nicht gekommen, daß er sich dienen lasse, sondern daß er diene und sein Leben gebe als Lösegeld für viele.“  (Mk 10,45)


Dieser Text wurde anlässlich der 5x5x5-Bibelleseaktion meiner Gemeinde, der EFG Borken, verfasst. Er soll den Lesern eine kurze Einführung in das Markusevangelium geben. Mehr zur Aktion 5x5x5 und wie auch du mit dabei sein kannst, findest du hier.

Beten heißt, aktiv zu werden

„Es war ein Mann von Ramatajim-Zofim, vom Gebirge Ephraim, der hieß Elkana, ein Sohn Jerohams, des Sohnes Elihus, des Sohnes Tohus, des Sohnes Zufs, ein Ephraimiter. 2 Und er hatte zwei Frauen; die eine hieß Hanna, die andere Peninna. Peninna aber hatte Kinder, und Hanna hatte keine Kinder. 3 Dieser Mann ging jährlich hinauf von seiner Stadt, um anzubeten und dem HERRN Zebaoth zu opfern in Silo. Dort aber waren Hofni und Pinhas, die beiden Söhne Elis, Priester des HERRN. 4 Wenn nun der Tag kam, daß Elkana opferte, gab er seiner Frau Peninna und allen ihren Söhnen und Töchtern Stücke vom Opferfleisch. 5 Aber Hanna gab er ein Stück traurig; denn er hatte Hanna lieb, obgleich der HERR ihren Leib verschlossen hatte. 6 Und ihre Widersacherin kränkte und reizte sie sehr, weil der HERR ihren Leib verschlossen hatte. 7 So ging es alle Jahre; wenn sie hinaufzog zum Haus des HERRN, kränkte jene sie. Dann weinte Hanna und aß nichts. 8 Elkana aber, ihr Mann, sprach zu ihr: Hanna, warum weinst du, und warum issest du nichts? Und warum ist dein Herz so traurig? Bin ich dir nicht mehr wert als zehn Söhne? 9 Da stand Hanna auf, nachdem sie in Silo gegessen und getrunken hatten. Eli aber, der Priester, saß auf einem Stuhl am Türpfosten des Tempels des HERRN. 10 Und sie war von Herzen betrübt und betete zum HERRN und weinte sehr 11 und gelobte ein Gelübde und sprach: HERR Zebaoth, wirst du das Elend deiner Magd ansehen und an mich gedenken und deiner Magd nicht vergessen und wirst du deiner Magd einen Sohn geben, so will ich ihn dem HERRN geben sein Leben lang, und es soll kein Schermesser auf sein Haupt kommen. 12 Und als sie lange betete vor dem HERRN, achtete Eli auf ihren Mund; 13 denn Hanna redete in ihrem Herzen, nur ihre Lippen bewegten sich, ihre Stimme aber hörte man nicht. Da meinte Eli, sie wäre betrunken, 14 und sprach zu ihr: Wie lange willst du betrunken sein? Gib den Wein von dir, den du getrunken hast! 15 Hanna aber antwortete und sprach: Nein, mein Herr! Ich bin ein betrübtes Weib; Wein und starkes Getränk hab ich nicht getrunken, sondern mein Herz vor dem HERRN ausgeschüttet. 16 Du wollest deine Magd nicht für ein zuchtloses Weib halten, denn ich hab aus meinem großen Kummer und Herzeleid so lange geredet. 17 Eli antwortete und sprach: Geh hin mit Frieden; der Gott Israels wird dir die Bitte erfüllen, die du an ihn gerichtet hast. 18 Sie sprach: Laß deine Magd Gnade finden vor deinen Augen. Da ging die Frau ihres Weges und aß und sah nicht mehr so traurig drein. 19 Und am andern Morgen machten sie sich früh auf. Und als sie angebetet hatten vor dem HERRN, kehrten sie wieder um und kamen heim nach Rama. Und Elkana erkannte Hanna, seine Frau, und der HERR gedachte an sie. 20 Und Hanna ward schwanger; und als die Tage um waren, gebar sie einen Sohn und nannte ihn Samuel; denn, so sprach sie, ich hab ihn von dem HERRN erbeten.“ (1Sam 1,1-20)

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Immer wenn Hanna mit ihrer Familie nach Silo hinaufzog, um zu opfern, wurde ihr die Not ihrer Kinderlosigkeit besonders bewusst (V. 4-5). Eine Not, an der sie nichts zu ändern im Stande war. Nicht leichter wurde ihre Lage durch Pennina, die sie kränkte und reizte (V. 6-7). Ihr Mann Elkana, war zwar ebenso traurig über ihre Kinderlosigkeit (V. 5) und versuchte sie zu trösten (V. 8), doch änderte das auch nichts an ihrem Leid.

Doch eines Tages entschloss sich Hanna, selbst aktiv zu werden: „Da stand Hanna auf“, heißt es in V. 9. Bisher hatte sie alles passiv ertragen müssen: Die Schmach ihrer Kinderlosigkeit, die triezenden Worte von Pennina, die unglücklichen Trostversuche ihres Mannes. Nun wird sie durch ihr Gebet zu Gott aktiv. Hanna ist nicht länger passiv, ihr „passiert“ nicht länger alles, sie ist nicht einfach ein tatenloses Opfer gewisser Umstände. Nein, durch das Gebet wird sie selbst zur Handelnden!

Wir sehen an diesen Versen also, die Bedeutung und Wirksamkeit von Gebet. Gebet befreit dich aus der Passivität. Gebet sollte unser Handeln nicht nur begleiten oder vorbereiten, nein Gebet ist bereits Aktion. Denn wie könnte man wirksamer aktiv sein, als im Zwiegespräch mit dem zu treten, der die ganze Welt erschaffen hat und jede Situation auf diesem Planeten, jeden chemischen Prozess und überhaupt alles kontrolliert? Wir denken manchmal, wir könnten nichts tun. Wir meinen, dass wir gewissen Umständen oder Nöten hilflos ausgeliefert sind: „Keine Chance, etwas zu ändern, never!“ Doch das stimmt nicht: Wir können beten! Und durch das Gebet zu Gott – dem Allerhöchsten – treten wir bereits raus aus der Passivität! Was für ein Vorrecht, beten zu dürfen!

Wie schön, Jesus zu dienen!

„Fangen wir denn abermals an, uns selbst zu empfehlen? Oder brauchen wir, wie gewisse Leute, Empfehlungsbriefe an euch oder von euch? 2 Ihr seid unser Brief, in unser Herz geschrieben, erkannt und gelesen von allen Menschen! 3 Ist doch offenbar geworden, daß ihr ein Brief Christi seid, durch unsern Dienst zubereitet, geschrieben nicht mit Tinte, sondern mit dem Geist des lebendigen Gottes, nicht auf steinerne Tafeln, sondern auf fleischerne Tafeln, nämlich eure Herzen.“ (2Kor 3,1-3)

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Menschen wünschen sich, etwas Sinnvolles zu tun und möglichst etwas zu hinterlassen. Das ist es, was Menschen dazu antreibt, große Firmen aufzubauen, nach Berühmtheit zu streben oder herausgehobene Ämter zu bekleiden. Aber eigentlich ist es der christliche Dienst, der uns oftmals als so kleine und unbedeutende Nummer erscheint, der die beste Möglichkeit bietet, etwas von echtem Wert zu hinterlassen. Denn dieser Dienst geschieht ja an einzelnen Menschen. Wenn nun durch meinen bescheidenen Dienst Menschen verändert werden und sie in der Nachfolge voranschreiten, dann habe ich zu etwas Wertvollem beigetragen, das bleibt. Andere Menschen werden diese veränderten Menschen wahrnehmen, in ihnen Christus erkennen und möglicherweise Gott verherrlichen (vgl. Mt 5,16). Das ist mehr wert, als eine große Firma, ein nettes Häuschen oder Ruhm zu hinterlassen! Wie schön, Christus dienen zu dürfen! Was für ein Vorrecht, Menschen in ihrem Leben mit Jesus begleiten und prägen zu dürfen!

Jesus vergisst seine Jünger auch im Versagen nicht

„Petrus aber sprach: Mensch, ich weiß nicht, was du sagst. Und alsbald, während er noch redete, krähte der Hahn. Und der Herr wandte sich und sah Petrus an.“ (Lk 22,60-61a)

Petrus war Jesus sicherlich mit guten Absichten in den Hof des Hohenpriesters gefolgt, wo dieser verhört wurde. Er wollte wissen, was mit Jesus geschieht und vielleicht würde er ihm sogar zur Seite stehen können. Doch allen guten Vorsätzen zum Trotz versagt Petrus an dieser Stelle. Drei Mal leugnet er, Jesus zu kennen. Er bekräftigt dies sogar mit einem Schwur. Petrus ist keine Hilfe für den Herrn. Im Gegenteil: er ist ihm untreu.

Und Jesus? Nachdem Petrus ihn das dritte Mal verleugnet hatte, geschieht etwas Erschütterndes. Jesus dreht sich um zu Petrus – es gibt einen Moment des Blickkontaktes zwischen beiden – doch Jesus schweigt. Jesus muss Petrus nicht sagen. Er versteht sofort sein Fehlverhalten. Aber das Schweigen Jesu hat noch eine ganz andere Dimension. Durch sein Schweigen schützt Jesus seinen untreuen Jünger. Hätte Jesus auch nur ein Wort zu Petrus gesprochen, wäre es für alle offensichtlich gewesen, dass Petrus zu ihm gehörte. Doch Jesus schweigt. Er bewahrt Petrus vor dem Bösen (vgl. 2Thess 3,3). Hier wird deutlich: Jesus vergisst seine Jünger auch im Versagen nicht.

Paulus schreibt später: „Sind wir untreu, so bleibt er doch treu; denn er kann sich selbst nicht verleugnen.“ (2Tim 2,13). Wie wunderbar zu so einem Herrn zu gehören! Wie tröstend, dass Jesus – selbst wenn er auf uns in unseren schwachen Stunden, in unserem Versagen und unserer Sünde blickt – uns nicht von sich stößt, sondern uns treu zur Seite steht!

Warum ich die gewöhnliche Gemeinde liebe

Ich gehöre zu einer ganz gewöhnlichen Gemeinde. Mit um die 100 Mitgliedern ist sie nicht besonders groß. Unsere Gemeinde ist logischerweise auch (über unsere Stadt hinaus) nicht bekannt. Wir sind keine Trend-Gemeinde, die Christen aus anderen Städten (oder gar Ländern) besuchen und sich zum Vorbild nehmen. Über unsere Gemeinde hat auch noch nie jemand ein Buch oder auch nur einen Zeitschriftenartikel verfasst. Wir sind auch keine besonders innovative Gemeinde, die irgendetwas noch nie dagewesenes machen würde. Und unser Gemeindehaus ist auch weder besonders hübsch noch beeindruckend groß. Nein, Gemeinden ähnlich der unseren gibt es Hunderte in ganz Deutschland.

Und doch bin ich sehr gerne Teil (und Pastor) dieser Gemeinde. Ja, ich liebe meine Gemeinde. Ich liebe generell die gewöhnliche Gemeinde. Und dafür gibt es gute Gründe:

Hier leben Menschen den Glauben

Hier in ganz gewöhnlichen Gemeinden leben Christen ihren Glauben. Hier geschieht Jüngerschaft. Hier wird sich gegenseitig unterstützt und geholfen. Hier erleben Menschen Ermutigung aber auch Korrektur. In ganz gewöhnlichen Gemeinden wie bei uns kommen Menschen zusammen, um Gottesdienst zu feiern und die Bibel zu lesen. Man trifft sich, um miteinander zu beten und sich über den Glauben auszutauschen. Kurz gesagt: in gewöhnlichen Gemeinden steckt eine ganze Menge vitales geistliches Leben!

Hier wird Gottes Wort verkündigt

In ganz gewöhnlichen Gemeinden wird aber auch das Wort Gottes verkündigt. Das Wort, von dem der Herr sagt, dass es so kräftig ist, „wie ein Hammer, der Felsen zerschmeißt“ (Jer 23,29). Den gewöhnlichen Gemeinden mag manches fehlen, aber mit dem verkündigten Wort Gottes haben sie das wertvollste Pfund überhaupt, mit dem sie wuchern können. In gewöhnlichen Gemeinden an allen Orten gibt es auch viele völlig gewöhnliche Prediger, die sich Woche für Woche größte Mühe geben, dieses Wort zu verkündigen. Damit tragen gerade die gewöhnlichen Gemeinden dazu bei, dass das Wort Gottes in das ganze Land hinausgeht: in einzelne Stadtteile größerer Städte genauso wie in die vielen Kleinstädte und eher provinziellen Gegenden unseres Landes. Ja, gewöhnliche Gemeinden – die über das ganze Land verstreut sind – sind im Grunde wichtige Missionsstationen in unserem Land.

Hier wirkt der allmächtige Gott

Mancher mag es vielleicht nicht glauben, aber ja, auch in ganz gewöhnlichen Gemeinden wirkt der allmächtige Gott. Auch hier finden Menschen, die nichts von Gott wissen wollten, zum lebendigen Glauben an Jesus Christus. Auch hier werden Menschen so verändert, dass sie schlechte Eigenschaften ablegen können. Auch in gewöhnlichen Gemeinden werden Gebete erhört und Menschen reifen in ihrem Glauben. Warum? Weil auch in gewöhnlichen Gemeinden der allmächtige Gott durch seinen Geist wirkt!

Auch sie sind Braut Christ

Das NT bezeichnet die Gemeinde Jesu Christi als seine Braut. Auch gewöhnliche Gemeinden gehören dazu. Interessant ist doch, dass Paulus gerade über die Gemeinde in Korinth zu solchen Worten greift: „Denn ich eifere um euch mit göttlichem Eifer; denn ich habe euch verlobt mit einem einzigen Mann, damit ich Christus eine reine Jungfrau zuführte.“ (2Kor 11,2). Auch die schwierige Gemeinde von Korinth ist Braut Christi und damit in Gottes Augen von sehr großem Wert. Wie viel mehr gilt das dann für die vielen gewöhnlichen Gemeinden unserer Tage, auf die manche Christen so verächtlich herabblicken.

Wie denken wir über die gewöhnlichen Gemeinden?

Ja, gewöhnliche Gemeinden haben natürlich ihre Schwächen. Manche sind in bestimmten Traditionen zu sehr verhaftet. Andere haben wenig personelle und finanzielle Ressourcen ein breites Gemeindeleben anzubieten. Wieder andere kreisen zu sehr um sich selbst oder sind zu abhängig von einzelnen Mitgliedern und hipp und modern sind gewöhnliche Gemeinden natürlich überhaupt nicht… Und natürlich gibt es noch ganz andere Baustellen.

Und dennoch: es ist wichtig und ein großer Segen, dass es so viele gewöhnliche Gemeinden gibt! Wenn du zu so einer Gemeinde gehörst, dann schätze sie, fördere sie und sei dankbar für deine Gemeinde! Und wenn du zu einer anderen – nicht ganz so gewöhnlichen Gemeinde gehörst – dann hüte dich vor Hochmut und geistlicher Arroganz diesen gewöhnlichen Gemeinden gegenüber.

Bist du gut gerüstet?

„Und er sprach zu ihnen: Als ich euch ausgesandt habe ohne Geldbeutel, ohne Tasche und ohne Schuhe, habt ihr da je Mangel gehabt? Sie sprachen: Niemals. 36 Da sprach er zu ihnen: Aber nun, wer einen Geldbeutel hat, der nehme ihn, desgleichen auch die Tasche, und wer’s nicht hat, verkaufe seinen Mantel und kaufe ein Schwert. 37 Denn ich sage euch: Es muß das an mir vollendet werden, was geschrieben steht: »Er ist zu den Übeltätern gerechnet worden.« Denn was von mir geschrieben ist, das wird vollendet. 38 Sie sprachen aber: Herr, siehe, hier sind zwei Schwerter. Er aber sprach zu ihnen: Es ist genug.“ (Lukas 22,35-38)

Das Wunder des Glaubens

Kurz vor seiner Passion erinnert Jesus seine Jünger an die Zeit als er sie in 2er-Teams ausgesandt hatte (vgl. Lk 10). Damals sollten sie sich ohne Proviant und andere Ausrüstung auf den Weg machen. Und trotzdem haben sie – so bekennen sie es hier freimütig und ohne Einschränkungen – niemals die Erfahrung gemacht, dass die Mangel leiden mussten. War deshalb alles einfach gewesen? Heißt das, dass sie damals nie Ablehnung erlebt hatten? Dass es keinerlei Probleme gab? Dass sie ständig auf Wolke 7 durch die Gegend schwebten?

Nein, ich glaube nicht. Aber wir sehen hier eine Besonderheit der Nachfolge, die auch noch heute gilt: Manches ist zwar schwer im Leben mit Jesus, durch manche Niederlage muss man durch, manches muss einfach ertragen werden und größere Probleme gibt es natürlich auch.  Und trotzdem ist es doch immer so, dass wir in der Rückschau bezeugen können: „Niemals Herr, hast du uns Stich gelassen. Niemals hatten wir zuwenig. Ja, manches schwer, manches hat uns ratlos gemacht und manches war kaum zu tragen. Und doch haben wir niemals erlebt, dass du nicht für uns da warst.“ Das ist das Wunder des Glaubens! Das ist Vorrecht, dass wir erleben können, wenn wir uns auf das Abenteuer Jüngerschaft einlassen.

Eine neue Zeit bricht an

Dann aber – in V. 36 – fordert Jesus sie auf, zukünftig sich doch auszurüsten – mit Geldbeutel, Tasche und sogar Schwert. Ja, diese Ausrüstung ist Jesus so wichtig, dass wir sogar den Mantel verkaufen sollen, um sie uns besorgen zu können. Was meint Jesus hier? Fordert er seine Jünger gar zur Bewaffnung auf?

Nun, ein Blick auf Lk 22,49-51 – aber auch auf andere Stellen im NT – zeigt, dass so eine Deutung nicht richtig sein kann. Ich meine, dass es Jesus hier vielmehr um eine geistliche Ausrüstung geht. Denn bedenken wir an welchem Zeitpunkt wir uns hier befinden: Jesus steht sein Leiden, das Kreuz und die Auferstehung bevor. Dem würde seine Himmelfahrt und Pfingsten mit der Ausgießung des Hl. Geistes folgen. Das Zeitalter der Gemeinde und der Mission würde in Kürze anbrechen. Die Apostel würden erneut von Jesus ausgesandt werden (wie in Lk 10). Dieses mal aber um das Evangelium in die ganze Welt zu bringen. Für diese ungleich größere und schwerere Aufgabe gilt es ausgerüstet zu sein. Für diesen Auftrag braucht es eine geistliche Ausrüstung. Dass wir gut gerüstet sind, ist dabei so wichtig, dass wir dafür alles investieren sollten.

Und an diesem Punkt wird es dann auch für uns konkret. Das Evangelium weiterzugeben ist ein Auftrag, der allen Christen – auch uns – gilt. Die Frage ist: Bist du gut gerüstet dafür? Wie ist um deine geistliche Ausrüstung bestellt? Investierst du in sie? Ist es dir wichtig, in Glaubensdingen zu reifen? Was würde dir helfen, um besser für die Aufgaben ausgerüstet zu sein, in die du von Gott gestellt bist? Welchen „Mantel“ musst du vielleicht verkaufen (V. 36), um dir eine bessere geistliche Ausrüstung zuzulegen?

Hat Jesus Raum in meinem Leben?

Denken wir mal an unsere Jugendzeit zurück. Vermutlich hatten die meisten von uns in ihrem Elternhaus ein eigenes Zimmer. Dort, im eigenen Zimmer durften wir – natürlich in gewissen Grenzen – machen was wir wollten. Wir konnten die Wandfarbe, Bilder und Poster, Möbel und manches mehr selbst auswählen.  Wir waren aber auch verantwortlich, z.B. dafür das eigene Zimmer sauber und ordentlich zu halten. Ein eigenes Zimmer bedeutet also Eigenverantwortung, Freiheit aber auch Privatsphäre. Hier sind wir unbeobachtet, hier dürfen wir ein Stück weit tun und lassen, was wir wollen. Nun stellen wir uns mal vor, damals hätte sich ein guter Freund bzw. eine gute Freundin bei uns im Zimmer einquartieren wollen. Für ein Wochenende und vielleicht auch eine Woche wäre das eine tolle Sache gewesen. Aber wie hätten wir das empfunden, wenn der gute Freund bzw. die gute Freundin auf Dauer in unserem Zimmer hätte wohnen wollen? Vermutlich hätte unsere Begeisterung dann irgendwann wieder abgenommen. Denn klar, Gemeinschaft zu haben ist eine gute Sache. Aber irgendwann wird’s uns vielleicht zu eng und zu viel.

Ähnlich kann es uns auch in unserem Glauben ergehen. Denn Jesus will Raum haben in unserem Leben! Und die Frage ist: Hat Jesus eigentlich Raum in  meinem Leben? Wir sollten diese Frage nicht vorschnell mit „Ja klar“, abhaken, sondern uns das ernsthaft fragen: Hat er wirklich Raum in meinem Leben? Oder lass ich ihn mein Leben vielleicht kurz hineingucken, wie der Jugendliche die Mutter ins eigene Zimmer hineinschauen lässt, um dann doch wieder schnell die Türe zu schließen, damit sie nicht sieht, was sich dahinten in der Ecke alles für ein Zeug auftürmt? Es kann sein, dass wir an sich Jesus in unserem Leben Raum geben wollen, es uns aber irgendwann doch „zuviel“ wird und wir ihn wieder rauskomplementieren, wie den guten Freund, der sich auf Dauer bei uns einrichten will… Denn Fakt ist: schon immer haben sich Menschen schwergetan, Jesus Raum zu geben.

Menschen tun sich schwer, Jesus Raum zu geben

Denken wir nur an die bekannte Weihnachtsgeschichte. Josef kam mit der hochschwangeren Maria nach Bethlehem und war auf der Suche nach einer Unterkunft. Und dann heißt es: „Und sie gebar ihren ersten Sohn und wickelte ihn in Windeln und legte ihn in eine Krippe; denn sie hatten sonst keinen Raum in der Herberge.“ (Lk 2,7). Schon bei Jesu Ankunft in dieser Welt tat er sich schwer, Raum bei den Menschen zu finden. Ein ähnliches Bild sehen wir, wenn wir auf das Ende von Jesu Zeit auf dieser Erde schauen. Jesus will mit seinen Jüngern das Passahfest feiern. Aber auch jetzt gibt es eben nicht viele, die bereit sind ihm einen Raum dafür im überfüllten Jerusalem zur Verfügung zu stellen. Jesus schickt darum Petrus und Johannes zu einem Mann, dem sie ausrichten sollen: „Der Meister läßt dir sagen: Wo ist der Raum, in dem ich das Passalamm essen kann mit meinen Jüngern?“ (Lk 22,11) Dieser besondere Mann ist der einzige, der Jesus uns seinen Jüngern einen Raum zur Verfügung stellt. Wer aber nicht mal bereit ist Jesus im wörtlichen Sinne einen Raum zur Verfügung zu stellen, der ist wohl noch viel weniger dazu bereit, ihm Raum zu geben im eigenen Leben. Darum heißt es bei Johannes auch ganz zutreffend: „Er [Jesus] kam in sein Eigentum; und die Seinen nahmen ihn nicht auf.“ (Joh 1,11)

Wieviel Raum hat Jesus in meinem Leben?

Wie sieht es also bei dir und mir aus im Leben? Hat Jesus eigentlich Raum in  meinem Leben? Sagen wir hier nicht zu schnell „Ja“, nur weil wir uns als Christen verstehen und an Jesus glauben. Zwar ist natürlich die Glaubensentscheidung ganz wichtig. Es ist ganz grundlegend zu sagen: „Ja, Jesus, ich glaube an dich und öffne dir als meinem Herrn mein Leben!“. Und dennoch – auch wenn wir an Jesus bereits glauben – stellt sich die Frage: Wieviel Raum hat Jesus eigentlich wirklich in meinem Leben? Lass ich ihn wirklich hinein in mein Leben? Oder verhalte ich mich eher, wie ein Jugendlicher der genaustens über sein eigenes Zimmer wacht? Darf Jesus vielleicht nur kurz hineinschauen? Oder darf er nur zu bestimmten Zeiten in mein Lebens-Zimmer hineingucken (z.B. Sonntags)? Und darf er auch jede Ecke meines Lebens-Zimmers in Augenschein nehmen? Wie ist das also bei mir?

Wie können wir Jesus mehr Raum geben?

Um dieser Frage auf den Grund zu gehen, hilft es, sich persönliche, tiefgehende Fragen zu stellen. Fragen, die verschiedene Lebensbereichen ansprechen und die wir ehrlich beantworten sollten: „Welchem Raum nimmt die Beschäftigung mit der Bibel in meinem Leben ein? Wieviel Zeit nehme ich mir zum Bibellesen, habe ich die Bibel eigentlich schon mal ganz gelesen?“ Oder: „Wie wichtig ist es für mich, meine Gemeinde zu besuchen? Nehme ich auch anderen Gelegenheiten, Gemeinschaft mit anderen Jesusnachfolgern zu haben, gerne wahr?“ Oder zum Thema Finanzen: „Betrachte ich mich, was mein Geld angeht als Eigentümer oder nur als Verwalter? Wieviel gebe ich für die  Zwecke des Reiches Gottes?“ Oder was das Intimleben betrifft: „Habe ich den Eindruck, dass meine Fantasie durch sexuelle Gedanken zu sehr beschlagnahmt oder verunreinigt wird?   Tue ich diesem Bereich Dinge, die Gott nicht gefallen oder überschreite ich von ihm gesetzte Grenzen?“ Noch vieles weitere ließe sich hinzufügen. Fragen wir uns, welchen Raum wir Jesus in unserem Leben geben. Und bedenken wir: Auch wenn wir hierbei auf Unerfreuliches wie Sünde stoßen, so ist das kein Desaster. Denn Gott vergibt Sünden, die wir bekennen gerne (vgl. 1Joh 1,9). Und vor allem: Nur was ich erkannt habe, kann ich auch überwinden. Und auch dazu sind wir von Gott befähigt (vgl. Röm 6,11-14).

Geben wir Jesus mehr Raum in unserem Leben! Dass er sich in unserem Leben niederlässt, wie ein Mitbewohner im eigenen Zimmer. Jemand, der auf Schritt und Tritt dabei ist. Der uns aber – anders als jeder Mensch – stets den besten Weg führt!

Wozu wir Menschen fähig sind

„Es fuhr aber der Satan in Judas, genannt Iskariot, der zur Zahl der Zwölf gehörte. Und er ging hin und redete mit den Hohenpriestern und mit den Hauptleuten darüber, wie er ihn an sie verraten könnte.“ (Lk 22,3-4)

Das ist doch eigentlich unglaublich! Judas Iskariot, einer der zwölf von Jesus selbst berufenen Jünger, wird zum Verräter. Er, der Jesus so viele Jahre aus nächster Nähe erlebt hatte, der seine große Taten sah, seine vollmächtigen Predigten hörte, der Jesus vermutlich persönliche Fragen stellte er schlägt sich auf einmal auf die andere Seite. Er öffnet sich dem Satan, geht zu den Hohenpriestern und schlägt ihnen einen Deal vor. Geld gegen eine günstige Gelegenheit, Jesus ohne viel Aufsehen verhaften zu können.

Was sollen wir darüber denken? War Judas ein besonders schlimmer Mensch – da er ja seinen Freund und Heiland verriet? War er dem Bösen besonders verfallen, war er gewissermaßen ein Monster?

Die Bibel zeigt uns, dass wir uns nicht über Judas erheben sollten. Wir sollten nicht verachtend denken „Wie kann er nur…“, sondern uns vielmehr bewusst sein, dass diese Neigung zum Bösen in jedem Menschen – auch in uns – steckt. Paulus warnt zurecht: „Wer meint, er stehe, mag zusehen, dass er nicht falle.“ (1Kor 10,12) Judas war kein besonders schlimmer Mensch, er war kein Monster. Nein, sein Beispiel zeigt uns, wozu wir Menschen alle – ausnahmslos – fähig sind: nämlich zum schlimmsten Verrat und den bösesten Taten. Der Mensch ist durch den Sündenfall völlig verdorben (man lese nur mal Römer 3,10ff).

Auch wenn wir heute in den Medien von den grausamsten Verbrechen lesen (ich erspare mir hier die Beispiele), taucht manchmal dieser Gedanke in uns auf: „Wer so etwas tut, ist doch gar kein Mensch, der muss ein Monster ein…!“ Nein, auch solche Taten zeigen uns auf schockierende Weise, zu was für Boshaftigkeiten wir Menschen alle grundsätzlich fähig sind.

Wir sollten uns also weder über Judas noch andere Menschen, die Schlimmstes auf dem Gewissen haben, erheben. Vielmehr sollten wir Gott dankbar sein, dass er uns durch sein gnädiges Wirken vor ähnlich schlimmen Taten bewahrt hat. Wir sollten, zweitens, wachsam auf unseren Wandel achten, dass wir nicht auch eines Tages fallen. Und vor allen Dingen müssen wir erkennen, dass wir als Menschen hoffnungslos verloren sind und einen Retter dringend brauchen! Gott sei Dank, dass er uns Jesus Christus gegeben hat, uns Menschen – die wir wie Judas und die grausamsten Verbrecher – zu jeder bösen Tat fähig sind.

Zehn Ausreden, die eigene Gemeinde nicht finanziell zu unterstützen

Gott fordert uns in seinem Wort dazu auf, dass wir als Christen freigiebig und mit Freude auch unser Geld für die Förderung seines Reiches einsetzen. Zuallerst sind wir dabei dazu verpflichtet, die Gemeinde zu der wir gehören, finanziell angemessen zu unterstützen. Über die mehr als 15 Jahre, die ich über dieses Thema inzwischen nachdenke und mit Geschwistern darüber spreche, sind mir eine Vielzahl an mehr oder minder originellen Ausreden zu Ohren gekommen, warum mancher meint, dies nicht tun zu müssen:

1. „Ich kann mir das einfach nicht leisten.“

Ja, es gibt Menschen, die sehr wenig Geld zum Leben haben. Aber weder Gott noch irgendein Gemeindeverantwortlicher erwartet beispielsweise von einem Arbeitslosen oder einem Schüler hohe Spendenbeträge. Es geht um einen den eigenen Verhältnissen angemessen Beitrag (vgl. 2Kor 8,3). Falsch ist es jedoch, wenn man meint, sich gänzlich aus der Verantwortung ziehen zu können. Ja, auch Bezieher von Sozialleistungen, Studenten oder Geringverdiener sollten sich nach ihren Möglichkeiten beteiligen (vgl. das Beispiel von der Witwe, Lk 21,1-4).

Hinzuzufügen ist, dass mir diese Ausrede auch schon bei Menschen normalen Einkommens begegnet ist. Man behauptet tatsächlich, von den Ausgaben für Wohnung, Auto, Lebensmittel, Studium der Kinder, Urlaub etc. so sehr belastet zu sein, dass man sich keinen Beitrag für die Gemeinde mehr leisten könne….

2. „Ich will mich ja beteiligen, aber momentan bin ich noch zu knapp bei Kasse.“

Im Unterschied zur ersten Ausrede ist hier die grundlegende Bereitschaft zur Unterstützung der Gemeinde vorhanden. Aber man meint vor einem unüberwindbarem Hindernis zu stehen, dass einem das jetzt einfach nicht ermögliche: „Wenn der Kredit fürs Auto abbezahlt ist…“, „wenn ich endlich eigenes Geld verdiene…“, „wenn die Kinder mit dem Studium durch sind…“, „wenn ich meine Zahnbehandlung finanziert habe…“ – dann kann endlich auch die Gemeinde finanziell unterstützt werden.

Es gibt ein gravierendes Problem an dieser Stelle: Der Tag, an dem die Gemeinde wirklich finanziell unterstützt wird, wird mit großer Wahrscheinlichkeit nie kommen. Denn nachdem das Auto abbezahlt ist und die Zahnbehandlung finanziert wurde, muss vielleicht eine neue Küche angeschafft werden oder am Auto muss eine dringende Reparatur vorgenommen werden. Kurz gesagt: Wer diese Einstellung hat, auf denen werden immer neue Dinge zukommen, die bezahlt werden müssen und die wichtig und unaufschiebbar erscheinen.

Deshalb sollten wir es mit der Unterstützung der Gemeindearbeit machen, wie mit der monatlichen Miete. Sie wird als erstes von dem Geld, was wir monatlich zur Verfügung haben, bezahlt. Bei der Miete steht nicht auch gar nicht zur Debatte, ob man sie diesen Monat zahlt oder vielleicht mal ausfallen lässt. Nein, sie wird treu Monat für Monat als erstes bezahlt. Sie hat höchste Priorität. So sollte es auch mit unserer finanziellen Unterstützung unserer Gemeinde sein.

3. „Mein Beitrag wäre eh viel zu klein und ist doch unerheblich.“

Ob ein Schüler nun jeden Monat fünf Euro für die Gemeinde spendet oder nicht ist bei einem sechsstelligen Gemeindehaushalt, den viele Gemeinden haben, doch belangslos oder?

Jesus ist da anderer Meinung. Er kommentiert die Spende der armen Witwe von – auf unsere Verhältnisse übertragen – 2 Cent in Lk 21,3-4 mit den Worten: “ Wahrlich, ich sage euch: Diese arme Witwe hat mehr als sie alle eingelegt. Denn diese alle haben etwas von ihrem Überfluß zu den Opfern eingelegt; sie aber hat von ihrer Armut alles eingelegt, was sie zum Leben hatte.“ Egal, wie klein dein Beitrag wäre, für Jesus ist deine Gabe die von Herzen kommt, alles andere als unerheblich!

Zu diesem geistlichen kommt auch noch ein pädagogischer Aspekt. Wer nicht frühzeitig – z.B. als Schüler – damit beginnt, etwas von seinem Geld zu spenden, wird sich auch sehr schwer tun, etwas zu spenden, wenn er irgendwann 5.000 Euro verdient.

4. „Ich spende doch an andere christliche Organisationen, die es viel nötiger haben.“

Ohne Zweifel ist es gut, Missionsgesellschaften, Bibelschulen oder diakonische Initiativen zu unterstützen. Ich selbst tue das auch seit vielen Jahren. Und es gibt soviele gute Organisationen, dass ich gerne noch viele mehr unterstützen würde.

Dennoch gilt unsere Hauptverantwortung stets der Ortsgemeinde, der wir angehören. Wenn wir diese angemessen und großzügig unterstützen, und wir dann immer noch Luft haben, dann ist es gut, unsere finanzielle Unterstützung auch auf andere Organisationen auszuweiten.

Ich würde auch hinterfragen, ob es andere Organisationen wirklich nötiger haben, als die lokale Gemeinde. Natürlich ist z.B. die materielle Not in vielen afrikanischen Ländern erschreckend groß. Wenn wir allerdings die geistliche Not betrachten, ist diese in oftmals Deutschland größer als in vielen Ländern Afrikas. Es ist auch ungemein wichtig, den Gemeindebau in Deutschland zu stärken, damit auch hierzulande Menschen das Evangelium hören und von Jesus Christus gerettet werden.

Im Übrigen: würden alle Mitglieder der Gemeinden hierzulande ihrer finanziellen Verantwortung für ihre Gemeinde gerecht werden, so könnten die Gemeinden auch einen größeren Teil ihres Budgets wiederum in die Mission geben.

5. „Ich spende an andere christliche Organisationen, weil mit meinem Geld dort viel mehr erreicht werden kann.“

Mit 100 Euro in einem armen asiatischen Land kann der dortige Pastor vielleicht zwei Monate bezahlt werden oder der ganzjährige Schulunterricht für mehrere Kinder. Mit 100 Euro in Deutschland werden vielleicht gerade mal die monatlichen Kopierkosten einer Gemeinde gedeckt. Ist es dann nicht sinnvoll, das Geld dorthin zu geben, wo man mehr mit diesem Geld erreichen kann?

Nun, Gottes Reich funktioniert nicht nach Rendite-Gesichtspunkten Wir sind aufgefordert, das zu tun, was Gott von uns möchte – ungeachtet dessen, was aus unserer Sicht mehr Ertrag verspricht. Außerdem: Natürlich hat es irgendwie mehr Charme, wenn mit den eigenen Spendengeldern die Schulausbildung afrikanischer Kinder finanziert wird, statt der öden Heizkosten der örtlichen Gemeinde. Eins ist aber klar: Wenn jeder so denken und handeln würde, gäbe es schon bald kein Gemeindeleben mehr in Deutschland.

6. „Ich bin nicht damit einverstanden, wofür meine Gemeinde das Geld ausgibt.“

Soll man einen Jugendpastor anstellen, neue Musikinstrumente anschaffen oder eine große evangelistische Veranstaltung planen? Klar ist: Gemeinden haben vielfältige Möglichkeiten ihre Gelder auszugeben und naturgemäß gehen die Meinungen darüber auseinander, welche Schwerpunkte man setzen sollte.

Der Gemeinde allerdings die eigene finanzielle Unterstützung zu entziehen, wenn sie sich für etwas anderers entscheidet als ich das persönlich für gut halte, ist nicht in Ordnung. So ein Verhalten zeugt von einem völlig fehlgeleiteten Verständnis vom Geben und grenzt schon an Erpressung.

Denn Geben (oder Spenden) ist etwas anderes als Einkaufen. Beim Einkaufen bestimme ich, ob ich mir eine Hose oder einen Pullover kaufen möchte. Ich kann auswählen aus verschiedenen Farben, Formen, Qualitätsstufen und unzähligen Herrstellern. Ich kann mich genau für das entscheiden, was meine individuellen Bedürfnisse am besten erfüllt. Geben (Spenden) ist etwas völlig anderes. Ich gebe von dem Geld, das Gott mir zur Verfügung gestellt hat, einen Teil weg. Und zwar bedingungslos und ohne Kontrolle ausüben zu wollen. Es geht hier nicht um mich und meine Wünsche, sondern um Gott und sein Werk. Zum Geben gehört folglich nicht nur, das Geld abzugeben, sondern auch die Kontrolle über mein Geld (was genau soll damit geschehen) abzugeben. Nicht ICH entscheide, was im Einzelnen damit geschieht, sondern WIR entscheiden als Gemeinde gemeinsam, was damit geschieht.

7. „Ich gebe nur etwas, wenn der Herr mir das persönlich direkt aufs Herz legt.“

Diese Ausrede klingt hoch geistlich. Hier wartet jemand auf einen besonderen Impuls vom Hl. Geist, damit er etwas hierhin oder dorthin spendet. Und natürlich gibt es das manchmal. Da ist vielleicht ein Missionar in unserer Gemeinde zu Gast und wir sind sehr bewegt von der Arbeit, die er tut. Und wir haben dieses tiefe Anliegen in uns, diese Arbeit zu unterstützen und legen darum eine große Summe in den Kollektenkorb. So weit, so gut.

Allerdings ist es nicht richtig, nur auf einen direkten Impuls Gottes hin etwas zu geben. Die Bibel lehrt es anders. So schreibt Paulus in 1Kor 16,2: „An jedem ersten Tag der Woche lege ein jeder von euch bei sich etwas zurück und sammle an, soviel ihm möglich ist, damit die Sammlung nicht erst dann geschieht, wenn ich komme.“ Paulus legt Wert darauf, dass regelmäßig und auch geplant gespendet werden soll. Darüber hinaus ist es gar nicht nötig, auf einen besonderes Impuls des Geistes zu warten. Schließlich hat uns Gott in seinem Wort doch bereits zum Geben aufgerufen.

8. „Es heißt doch, dass die Linke nicht wissen soll, was die Rechte tut. Also mache ich mir gar keine Gedanken darüber, wieviel ich wohin gebe.“

Diese Ausrede – vorgebracht gegen eine regelmäßige und verlässliche Unterstützung der eigenen Ortsgemeinde – beruft sich auf Mt 6,3: „Wenn du aber Almosen gibst, so laß deine linke Hand nicht wissen, was die rechte tut.“

Allerdings bedeutet dieser Vers gar nicht, dass man sich keine Gedanken darüber machen sollte, wieviel man wohin spendet. Der Kontext macht deutlich, dass Jesus sich viel mehr dagegen wendet, dass Menschen in der Öffentlichkeit herausstellen, wie großzügig sie doch für dieses oder jenes gegeben haben. Darum ist es in Gemeinden auch zurecht unüblich, bei der Verwirklichung größerer Projekte die Großspender besonders hervorzuheben.

9. „Ich kann (noch) nicht fröhlich geben. Also spende ich lieber nichts.“

Diese Ausrede nimmt Bezug auf 2Kor 9,7. Dort schreibt Paulus zum Thema Geben: „Ein jeder, wie er’s sich im Herzen vorgenommen hat, nicht mit Unwillen oder aus Zwang; denn einen fröhlichen Geber hat Gott lieb.“ Weil jemand noch nicht fröhlich geben kann, sondern ihm das schwerfällt, gibt er lieber nichts. Schließlich will er kein Heuchler sein. Ist das so richtig? Soll man das Spenden tatsächlich sein lassen, wenn es einen manchmal Überwindung kostet?

Nun, Gott wünscht sich ganz allgemein, dass wir ihm fröhlich dienen und seinen Geboten gerne folgen. Dennoch entbindet die manchmal nicht vorhandene Freudigkeit an einem Gebot Gottes nicht von dessen Befolgung. Allerdings weist uns unser Unbehagen in so einem Fall schon auf ein tieferliegendes Problem hin. Dass wir nämlich offenbar Schwierigkeiten haben, Gott ganz – auch in materiellen Angelegenheiten – zu vertrauen. Statt auf das Geben zu verzichten, sollten wir lieber Gott um Hilfe und Veränderung unseres Herzens bitten. Und gerade der Vertrauensschritt – etwas zu Geben, obwohl es Überwindung kostet – kann auch dazu dienen, dass wir in diesem Punkt reifen und unser Gottvertrauen wächst.

10. „Ich gebe zwar nichts, aber dafür arbeite ich sehr engagiert in der Gemeinde mit.“

Ja, diese Ausrede gibt es tatsächlich. Fakt ist allerdings, dass Gott von uns Beides erwartet: Dass wir unsere Zeit und Gaben in Form ehrenamtlicher Mitarbeit einbringen, aber auch, dass wir einen angemessenen und großzügigen Teil von den materiellen Gütern, die Gott uns anvertraut hat, in unsere Gemeinde vor Ort investieren. Weder kann man sich von der Mitarbeit durch hohe Spenden „freikaufen“, noch kann man sich umgekehrt durch engangierte Mitarbeit seiner finanziellen Verantwortung entziehen.

Ein Wunsch für die Zukunft!

Dieser Beitrag ist naturgemäß etwas kritischerer Natur. Umso wichtiger ist mir, mit einem positiven Wunsch zu schließen: Wie wunderbar und segensreich wäre es, wenn alle Mitglieder ihre Gemeinden angemessen und großzügig unterstützen würden. Nach meiner Vermutung würden die Einnahmen der meisten Gemeinden um 50-100% höher ausfallen als heute.

Man stelle sich vor, was man mit diesen finanziellen Ressourcen Gutes für das Reich Gottes tun könnte! Ob es der Beginn einer neuen Gemeindearbeit in der Nachbarstadt wäre, motivierende und lehrreiche Schulungen für die engagierten ehrenamtlichen Mitarbeiter oder die Aussendung neuer Missionare… Es könnte soviel Gutes getan werden! Denn Fakt ist, dass heute leider viele gute Projekte und Ideen mangels finanzieller Mittel nie umgesetzt werden.

Und im Übrigen gilt: Wer für seine Gemeinde spendet, verliert nichts. Im Gegenteil: er investiert in einen Schatz im Himmel (vgl. Lk 12,33; Phil 4,17). Geben ist darum im Grunde keine lästige Pflicht, sondern die Gelegenheit zur besten Investition deines Lebens.

Buchempfehlung zu dem Thema: Randy Alcorn, Geld, Besitz und Ewigkeit, 3L Verlag.