Von einer traurigen Familiengeschichte lernen

„12 Aber die Söhne Elis waren ruchlose Männer; die fragten nichts nach dem HERRN 13 noch danach, was dem Priester zustände vom Volk. Wenn jemand ein Opfer bringen wollte, so kam des Priesters Diener, wenn das Fleisch kochte, und hatte eine Gabel mit drei Zacken in seiner Hand 14 und stieß in den Tiegel oder Kessel oder Pfanne oder Topf, und was er mit der Gabel hervorzog, das nahm der Priester für sich. So taten sie allen in Israel, die dorthin kamen nach Silo. 15 Desgleichen, ehe sie das Fett in Rauch aufgehen ließen, kam des Priesters Diener und sprach zu dem, der das Opfer brachte: Gib mir Fleisch für den Priester zum Braten, denn er will nicht gekochtes Fleisch von dir nehmen, sondern rohes. 16 Wenn dann jemand zu ihm sagte: Laß erst das Fett in Rauch aufgehen und nimm dann, was dein Herz begehrt, so sprach er zu ihm: Du sollst mir’s jetzt geben; wenn nicht, so nehme ich’s mit Gewalt. 17 So war die Sünde der Männer sehr groß vor dem HERRN; denn sie verachteten das Opfer des HERRN. 18 Samuel aber war ein Diener vor dem HERRN, und der Knabe war umgürtet mit einem leinenen Priesterschurz. 19 Dazu machte ihm seine Mutter ein kleines Oberkleid und brachte es ihm Jahr für Jahr, wenn sie mit ihrem Mann hinaufging, um das jährliche Opfer darzubringen. 20 Und Eli segnete Elkana und seine Frau und sprach: Der HERR gebe dir Kinder von dieser Frau anstelle des Erbetenen, den sie vom HERRN erbeten hat. Und sie gingen zurück an ihren Ort. 21 Und der HERR suchte Hanna heim, daß sie schwanger ward, und sie gebar noch drei Söhne und zwei Töchter. Aber der Knabe Samuel wuchs auf bei dem HERRN. 22 Eli aber war sehr alt geworden. Wenn er nun alles erfuhr, was seine Söhne ganz Israel antaten und daß sie bei den Frauen schliefen, die vor der Tür der Stiftshütte dienten, 23 sprach er zu ihnen: Warum tut ihr solche bösen Dinge, von denen ich höre im ganzen Volk? 24 Nicht doch, meine Söhne! Das ist kein gutes Gerücht, von dem ich reden höre in des HERRN Volk. 25 Wenn jemand gegen einen Menschen sündigt, so kann es Gott entscheiden. Wenn aber jemand gegen den HERRN sündigt, wer soll es dann für ihn entscheiden? Aber sie gehorchten der Stimme ihres Vaters nicht; denn der HERR war willens, sie zu töten. 26 Aber der Knabe Samuel nahm immer mehr zu an Alter und Gunst bei dem HERRN und bei den Menschen. 27 Es kam aber ein Mann Gottes zu Eli und sprach zu ihm: So spricht der HERR: Ich habe mich offenbart dem Hause deines Vaters, als die Israeliten noch in Ägypten dem Hause des Pharao gehörten, 28 und hab’s mir erwählt aus allen Stämmen Israels zum Priestertum, um auf meinem Altar zu opfern und Räucherwerk zu verbrennen und den Priesterschurz vor mir zu tragen, und ich habe dem Hause deines Vaters alle Feueropfer Israels gegeben. 29 Warum tretet ihr denn mit Füßen meine Schlachtopfer und Speisopfer, die ich für meine Wohnung geboten habe? Und du ehrst deine Söhne mehr als mich, daß ihr euch mästet von dem Besten aller Opfer meines Volkes Israel. 30 Darum spricht der HERR, der Gott Israels: Ich hatte gesagt, dein Haus und deines Vaters Haus sollten immerdar vor mir einhergehen. Aber nun spricht der HERR: Das sei ferne von mir! Sondern wer mich ehrt, den will ich auch ehren; wer aber mich verachtet, der soll wieder verachtet werden. 31 Siehe, es wird die Zeit kommen, daß ich deinen Arm und den Arm des Hauses deines Vaters abhauen will, daß es keinen Alten geben wird in deinem Hause 32 und daß du deinen Widersacher im Heiligtum sehen wirst bei allem Guten, das Israel geschehen wird, und es wird niemand alt werden in deines Vaters Hause immerdar. 33 Doch nicht einen jeden will ich dir von meinem Altar ausrotten, daß nicht deine Augen verschmachten und deine Seele sich gräme. Aber der größte Teil deines Hauses soll sterben, wenn sie Männer geworden sind. 34 Und das soll dir ein Zeichen sein, das über deine beiden Söhne, Hofni und Pinhas, kommen wird; an einem Tag werden sie beide sterben. 35 Ich aber will mir einen treuen Priester erwecken, der wird tun, wie es meinem Herzen und meiner Seele gefällt. Dem will ich ein beständiges Haus bauen, daß er vor meinem Gesalbten immerdar einhergehe. 36 Und wer übrig ist von deinem Hause, der wird kommen und vor jenem niederfallen um ein Silberstück oder eine Scheibe Brot und wird sagen: Laß mich doch Anteil haben am Priesteramt, daß ich einen Bissen Brot zu essen habe.“ (1Sam 2,12-36)

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Der Text beginnt mit einem knallharten Urteil über die Söhne Elis: als „ruchlos“ und „nicht nach Gott fragend“ werden sie beschrieben. Das zeigte sich einerseits daran, dass sie sich nicht mit ihrem Anteil an den Opfern begnügten (V. 13-14, vgl. dazu 3Mose 7,31f) und andererseits darin, dass sie Gott selbst bestahlen, indem sie auch das Fett der Tiere verlangten (V. 15-16, vgl. dazu 3Mose 3,3ff). Sie, die als Priester amtierten, waren nicht nur keine guten Vorbilder, sondern sündigten willentlich und skrupellos: So war die Sünde der Männer sehr groß vor dem HERRN; denn sie verachteten das Opfer des HERRN.“ (V. 17) Dies würde Folgen haben – nicht nur für sie selbst – sondern auch für ihre Familie (vgl. 2,27ff) und das ganze Volk (vgl. 1Sam 4).

Gleichzeitig ist dies auch eine traurige Familiengeschichte. Denn ihr Vater Eli, der selbst zwar nicht ähnlicher Sünden beschuldigt wird, tritt ihrem Verhalten nicht entschieden genug entgegen. Sein Tadel in V. 23-24 wirkt nicht sehr entschlossen: „Warum tut ihr solche bösen Dinge, von denen ich höre im ganzen Volk? 24 Nicht doch, meine Söhne! Das ist kein gutes Gerücht, von dem ich reden höre in des HERRN Volk.“ Vor allen Dingen konzentriert er sich nicht auf das Wesentliche: Es geht ja nicht darum, welche Gerüchte im Umlauf sind, sondern was sich im Herzen seiner Söhne abspielt! Eli geht es wohl mehr um seinen Ruf, als um die Ehre des Herrn und die treue Nachfolge seiner Söhne. Außerdem mangelt es Eli an konsequenter Abgrenzung von den Sünden seiner Söhne. Der Mann Gottes macht das in seiner Gerichtsankündigung deutlich:  „Und du ehrst deine Söhne mehr als mich, daß ihr euch mästet von dem Besten aller Opfer meines Volkes Israel.“ (V. 29b) Dass Eli später als „schwerer Mann“ (1Sam 4,18) beschrieben wird, unterstreicht, dass sich Eli offenbar auch am durch seine Söhne gestohlenen Fett der Opfertiere gerne bediente.

Diese Begebenheit wirf die Frage auf, welche Verantwortung Eltern für das Verhalten ihrer (erwachsenen) Kinder haben bzw. wie es generell um unsere Verantwortung für das Verhalten von uns nahe stehenden Personen geht. Dass jeder für sein Verhalten selbst verantwortlich ist, steht natürlich außer Frage (z.B. 5Mose 24,16). Allerdings entbindet uns das nicht von der Verantwortung, Probleme klar anzusprechen und Sünde auch Sünde zu nennen (und nicht zu beschönigen und die Sache auf eine andere Ebene zu verschieben, wie Eli, der nur von „Gerüchten“ sprach). Zweitens braucht es die klare Distanzierung  von solchen Verhaltensweisen. Ich muss deutlich machen: „Hier mache ich nicht mit und ich will von solchen Dingen auch nicht indirekt profitieren.“ In Mt 18,15ff erklärt uns übrigens der Herr, wie wir vorgehen sollen, wenn Glaubensgeschwister in Sünde fallen. Nicht Gleichgültigkeit, nicht Wegschauen, sondern das liebevolle und ehrliche Ansprechen ist hier die Devise. Dadurch kann – gerade wenn das frühzeitig geschieht – eine Menge Schaden vermieden werden.

Tripp: Krieg der Worte

Jeder Mensch kennt Kommunikationsprobleme. Worte, die nicht so gemeint waren, wie sie beim Gegenüber ankamen oder Situationen, in denen man Sätze ausgesprochen hat, die man nur wenig später am liebsten zurückgenommen hätte. Im Buch Krieg der Worte ist es Paul Tripps Anliegen zu zeigen, wie das Evangelium unsere Kommunikationsprobleme sieht und wie es uns helfen kann diese zu lösen (15).

Im ersten Teil seines Buches („Reden ist nicht billig“) legt Tripp seine theologischen Grundüberlegungen zu diesem Thema dar. Er ist überzeugt, dass Kommunikationsprobleme sich nicht durch „Tricks und Techniken“ lösen lassen, sondern dass sie eine viel tiefergehende Ursache haben. Er erinnert die Leserschaft daran, dass Gott der erste war der menschliche Sprache benutzte: „Als Gott beschloss, sich selbst auf diese Weise zu offenbaren, verlieh er damit der Sprache als dem wichtigsten Transportmittel für Wahrheit einen Ort der höchsten Bedeutung (18)“.

Aber nicht nur Gott offenbart sich durch seine Worte, sondern seine Worte geben auch der gesamten Schöpfung – und somit auch dem Menschen – Identität, Sinn und Ziel. Gottes Worte setzen Grenzen und geben Freiheit, sie offenbaren, definieren, erklären und formen die Welt (21f). Alles was nun der Mensch spricht, soll Gottes Herrlichkeit spiegeln und seinen Normen entsprechen (23f). Dieses Idealbild sieht Tripp in 1Mose 1. Demgegenüber stellt der Autor das Sprechen Satans aus 1Mose 3. Er stellt heraus, dass hier die Autorität der Worte Gottes  das erste Mal in Frage gestellt werden (30). Eine Folge davon sind – neben dem Aufkommen der Lüge und Schuldzuweisungen – viele sich wiedersprechende Stimmen und Interpretationen der Wirklichkeit. Eine sehr erhellende Beobachtung, die gravierende Auswirkungen auf das alltägliche Leben hat: „Wir alle reagieren auf die Menschen und Situationen in unserem Leben nicht auf der Grundlage der Tatsachen. Sondern unsere Reaktionen gründen sich auf Interpretationen dieser Tatsachen. (…) Probleme mit Worten sind oft Probleme der Interpretation. Wir sagen nicht das Richtige, weil wir nicht das Richtige glauben (31).“ Tripp schlussfolgert, „dass unsere Worte ihre Wurzeln nicht nur in den Worten des Herrn, sondern auch in den Worten der Schlange haben (40).“

Tripps Schlüsselerkenntnis ist darum, dass alle Probleme der Kommunikation ihre Ursache im menschlichen Herzen haben: „Wir sind das, was in jeder Situation das Problem ist. Wir sind das stets gleiche Element in allen unseren Kommunikationsproblemen (49).“ Veränderung kann es darum niemals einfach durch neue Kommunikationstechniken geben, sondern nur durch Jesus Christus – das göttliche Wort – und sein Erlösungswerk (50-58).

Im zweiten Teil des Buches („Ein neues Konzept für unsere Sprache“) möchte der Autor eine neue, von der Bibel geprägte Sicht, über Kommunikation vermitteln. Insbesondere die ersten drei der insgesamt sechs Kapitel in diesem zweiten Teil halte ich für sehr hilfreich. Tripp ist überzeugt, dass wir nur dann, wenn wir Gottes souveräne Herrschaft verstehen und uns seiner Herrschaft unterordnen, so sprechen können, wie er es beabsichtigt hat: „Der Kampf der Worte ist im Grunde ein Krieg um die Souveränität (81).“  Was zunächst weit hergeholt wirkt, erweist sich bei näherem Überlegen als sehr schlüssig: „Wenn meine Worte nicht aus einem Herzen kommen, das in seiner Herrschaft ruht, dann kommen sie aus einem Herzen, das nach Kontrolle strebt, damit ich bekommen kann, was ich will (82).“ Tripp führt dann aus, dass Gott souverän und unangefochten über das Universum und alle Einzelheiten unseres Lebens herrscht. Mit seiner Herrschaft verfolgt Gott für sein Volk stets gute Ziele zu seiner Ehre. Den Kampf um die Worte (gerade in den problembeladenen Situationen, in denen so schnell falsche Worte aus unserem Munde kommen), können wir nur dann gewinnen, wenn wir in unserem Herzen den Kampf um die Souveränität bereit gewonnen haben (95). Beeindruckend, wie Tripp dieses oftmals als mehr theoretisch empfundene Konzept der Souveränität Gottes auf dieses alltägliche Thema der Sprache herunterbricht und überzeugend darlegen kann, wie ein von der Bibel erneuertes Denken in diesem Bereich zu einem erneuerten Leben entscheidend beiträgt.

Ferner legt Tripp den Finger in die Wunder wenn er aufzeigt, dass unsere Kommunikationsprobleme ihre Ursache auch in einem falschen Verständnis von Nachfolge haben können: „Viele von uns folgen dem König aus den falschen Gründen (98)“. So sind Menschen einfach deshalb Christen, weil sie in Christus den Einen sehen, der alle ihre gefühlten Bedürfnisse stillen würde (101). Wenn diese Träume nun zerplatzen, äußert sich das häufig in sündhaften Worten. Tripp malt dem Leser nun anschaulich vor Augen, dass alle materiellen und irdischen Segnungen „auf den tieferen und reicheren Segen der Gegenwart des Herrn Jesus Christus in ihrem Leben hinweisen (106).“ Er macht aber auch deutlich, dass Christi Ruf in die Nachfolge bedeutet, die eigenen Pläne aufzugeben und Teil von Gottes Plan zu werden (108). Um den Kampf um die Worte wirklich gewinnen zu können, muss unser Leben allein auf den Herrn gegründet sein (109).

Bedenkenswert sind außerdem noch Tripps Hinweise, dass wir Menschen „für den König“ (115) sprechen sollen. Gott hat uns zu seinen Botschaftern berufen, die ihn repräsentieren sollen: „Unsere Kommunikation muss immer Botschaftercharakter haben (119).“  Das bedeutet, dass wir aus einem „klaren Verständnis der Mission des Königs heraus sprechen (121)“, also dass wir beim Sprechen das Herz im Blick haben. Vor allem aber bedeutet es, dass wir uns beim Sprechen auch der Methoden des Königs bedienen: „Als Botschafter sind wir dazu berufen, die unwirksamen oder gar zerstörerischen Waffen der Welt abzulegen und die Werkzeuge des Evangeliums zu ergreifen (124)“, unter denen Tripp nach 2Kor 5 Selbstaufopferung, Vergebung und Versöhnung versteht. „Menschliche Probleme“, die in aller Regel Streit und Kommunikationsprobleme hervorrufen, „sind Gelegenheiten, die Gott dazu benutzen kann, die Menschen um uns herum in eine vollere und tiefere Gemeinschaft mit ihm zu ziehen (128).“

In den übrigen drei Kapiteln dieses zweiten Hauptteils ermutigt der Autor praktische Schritte vorwärts zu gehen und sich nicht entmutigen zu lassen (Kapitel 8). Er gibt konkrete Hinweise, wie man konfrontative Gespräche biblisch führen kann (Kapitel 9).  Abschließend erinnert er daran, dass wir uns stets auf der Mission des Königs befinden (Kapitel 10).

In Tripps drittem Hauptteil („Den Kampf der Worte gewinnen“) geht es nun darum die neue bibelgemäße Kommunikation umzusetzen. Dazu fordert der Autor den Leser in Kapitel 11 zunächst auf, Buße über die alte Sprechweise zu tun. Tripp beschreibt sehr anschaulich, dass Buße als Ziel ein verändertes Leben hat. Er schlägt vier praktische Schritte vor, um Buße zu tun: 1) Nachdenken über das eigene Herz, 2) Bekennen, 3) Selbstverpflichtung und 4)  Veränderung. Ferner erinnert Tripp seine Leserschaft daran, dass der Kampf um die Worte „eine lange Reise“ (226) ist (Kapitel 12). Er schließt sein Buch mit einigen Ratschlägen ab, wie man „Worte wählen“ (229) sollte: Zunächst gilt es das eigene Herz vorzubereiten und anschließend Worte zu wählen, die den Kriterien Wahrheit, Liebe, Zurückhaltung, Gnade und Vergebung entsprechen.

Die Stärken des Buches liegen meiner Einschätzung nach vor allen Dingen in den ersten Kapiteln. Besonders der erste Teil, in dem Tripp das Grundproblem aller menschlichen Kommunikation überzeugend auf den Sündenfall zurückführt, ist eine außerordentlich wichtige Erkenntnis. Zu Recht betont der Autor immer wieder, dass es beim Überwinden von Kommunikationsproblemen nie nur um „Tricks und Techniken“ gehen kann. Tripp will ausdrücklich an der Wurzel des Problems ansetzen, das er richtig als das menschliche Herz identifiziert. So überzeugend wie er diese Sicht der Dinge darlegt, so sehr vermisst man auf der anderen Seite die Auseinandersetzung mit anderen Standpunkten. Ebenfalls äußerst gelungen sind die ersten Kapitel aus dem zweiten Teil, in dem er „ein neues Konzept“ für unsere Sprache entwickelt. Tripp gelingt es außerordentlich gut, tiefe geistliche Wahrheiten wie die Souveränität Gottes auf das alltägliche Leben herunterzubrechen. Er zeigt so, dass diese dogmatischen Wahrheiten tatsächlich die Lebenspraxis verändert. Was der Mensch glaubt, verändert eben auch sein Handeln! Man ist motiviert – gerade als Pastor und Prediger – die Schrift tiefgehend auszulegen, auch vermeintlich lebensferne Theologie zur Sprache zu bringen, weil sie eben doch die Kraft hat, das Leben gravierend zu verändern.

Auf der anderen Seite muss man leider konstatieren, dass die Qualität des Buchs abnimmt. Gerade die letzten Kapitel, in denen es um die konkrete Umsetzung einer neuen Sprechweise geht, sind keineswegs so stark wie die ersten Kapitel des Buchs. Zwar schließt Tripp jedes Kapitel mit einigen persönlichen Fragestellungen ab, die dazu helfen sollen, das Gelesene umzusetzen. Dennoch sind die Kapitel zur konkreten Umsetzung etwas vage und teilweise zu theoretisch und erklärend. Tripp will keine „Tricks und Techniken“ liefern, aber an dieser Stelle wäre es vielleicht doch angemessen gewesen, konkrete Vorschläge zu machen, wie man eine neue vom Evangelium bestimmte Sprechweise im Alltag einüben kann.

Man beobachtet ferner in der fortlaufenden Lektüre zunehmende Redundanz einiger Gedanken. Hin und wieder drängt sich der Eindruck auf, dass der Autor noch einige Gedanken zu einer Bibelstelle „auf Lager“ hatte – die zwar im Zusammenhang zum Buchthema stehen – aber den Gesamtgedanken kaum weiterentwickeln (z.B. die an sich gute Auslegung von Gal 5,13ff in Kapitel 12, S. 210ff). Das Buch hätte darum sicherlich um einiges kürzer und stringenter ausfallen können.

Insgesamt ist das Buch dennoch ein sehr wichtiges und gelungenes Buch. Allein die ersten 7 Kapitel sind so voller wertvoller und wichtiger Wahrheiten, dass man über die kleinen Mängel in den anderen Kapiteln gut hinwegsehen kann. Das Werk könnte sehr gut in Jüngerschaftsgruppen oder Hauskreisen verwendet werden, wobei hier besonderes Augenmerk auf die Anwendung des Gelesenen gelegt werden sollte. Insbesondere die ersten 6-7 Kapitel wären allerdings auch eine gute Grundlage für eine Predigt- oder Themenreihe, die das allgegenwärtige Thema Kommunikation – das ja auch soviel Not verursacht – aus biblischer Sicht beleuchtet. Darum ist Krieg der Worte auf jedem Fall jedem interessierten Christen zu empfehlen und sollte auf keinem gemeindlichen Büchertisch fehlen

Tripp: Werkzeuge in Gottes Hand

Seelsorgebücher gibt es viele. Ein hervorragendes, einführendes Buch in die Thematik – geschrieben für jedermann – möchte ich im Folgenden vorstellen: Paul David Tripp, Werkzeuge in Gottes Hand: Biblische Seelsorge in der Gemeinde, Waldems: 3L

Das zentrale Anliegen des Autors ist es, in diesem Buch zu zeigen, dass „Gott Menschen, die selbst Veränderung brauchen, im Leben anderer als Werkzeuge der Veränderung gebraucht.“ (7). Tripp wendet sich gegen die Ansicht, die christliche Gemeinde nur als eine Organisation zu sehen, in denen die Mitglieder weitgehend passive Konsumenten bleiben. Grundlegend ist für ihn die Erkenntnis, dass Gott für unsere Heiligung alle zu jeder Zeit gebrauchen will. In diesen Grundgedanken ordnet Tripp auch sein Seelsorgekonzept ein.

Das Buch gliedert sich in drei große Teile: Die Kapitel 1-6 beschäftigen sich mit den theologischen Grundlagen. In Kapitel 7-14 widmet sich der Autor den vier Aspekten seines Seelsorgekonzeptes (Lieben – Kennen – Sprechen – Tun) jeweils für zwei Kapitel. Den letzten Teil bildet ein umfangreicher Anhang, in dem praktische Fragen behandelt werden.

Grundlage einer biblischen Seelsorge ist für Tripp die Botschaft des Evangeliums (11-17). Auch in der Seelsorge muss es diese Botschaft sein, die an andere Menschen weitergegeben wird. Nur durch diese Botschaft kann der Mensch wirkliche Hilfe erfahren: „Deshalb dürfen wir nie eine Botschaft anbieten, die nicht die gute Nachricht ist. Wir dürfen unseren Mitmenschen kein System anbieten, sondern wir müssen sie zu einer Person, zum Erlöser, hinführen. Nur er ist die Hoffnung.“ (19). Dass es einer übernatürlichen, göttlichen Hilfe bedarf, unterstreicht Tripp indem er die gravierenden, zerstörerischen Auswirkungen der Sünde auf den Menschen beschreibt: Rebellion (letztendlich gegen Gott), Torheit und die Unfähigkeit, Gottes Willen zu tun. Tripp schlussfolgert: „Die Sünde macht uns zu moralisch Querschnittsgelähmten. (…) Wir brauchen Rettung, Heilung und Vergebung. (…) Wir brauchen Gott.“ (26).

Seelsorge zu erfahren, heißt für Tripp sich in der Hand des Erlösers Jesus Christus zu befinden. Seelsorge zu geben, bedeutet für den Autor vor allen Dingen, den Mitmenschen Gottes Wort zu bringen (31). So wie hier ist dem Autor im ganzen Buch das stete Bemühen anzumerken, jeden Aspekt seines Seelsorgekonzeptes im Wort Gottes zu gründen. Diese Betonung von Gottes Wort ist sehr zu begrüßen, wenn auch leider eine Auseinandersetzung mit den vielen anderen Seelsorgekonzepten, die das nicht oder nur unzureichend tun, unterbleibt.

Wie aber wird nun das Wort Gottes in der Seelsorge angewendet? Tripp weist richtigerweise darauf hin, dass die Bibel nicht als bloßes Nachschlagewerk benutzt werden sollte, sondern in dem man die Heilsgeschichte Gottes erzählt und die Bibel als zusammenhängendes Ganzes versteht: „Diese übergreifende Geschichte zeigt, dass das urmenschliche Problem tiefer geht als unsere Alltagssünden, die Verursacher unserer Alltagsprobleme, die unser Leben so kompliziert machen. Unser größtes Problem ist es, dass wir unsere Identität außerhalb der Erlösungsgeschichte suchen (37). Tripp macht hier m.E. auf ganz entscheidende hermeneutische Prinzipien aufmerksam, damit die Bibel wirklich recht gebraucht wird!

Dass Menschen nicht unabhängig sind, sondern wirklich Hilfe brauchen, legt Tripp in Kapitel 3 dar. Anhand von 1Mose 1-3 zeigt er, dass Gott den Menschen mit Kommunikationsfähigkeiten, mit der Fähigkeit zum Denken und als Anbeter geschaffen hat. Tripp schlussfolgert: „Menschen brauchen eine Wahrheit von außerhalb, damit sie ihrem Leben einen Sinn geben können. Wir brauchen die Perspektive Gottes. (55). Hören wir nicht auf Gottes Wort, ist nach Tripp die einzige Alternative, dass wir einem anderen „Seelsorger“ folgen, der Schlange aus 1Mose 3.

Ansatzpunkt biblischer Seelsorge muss nach Tripp immer das Herz, d.h. der innere Mensch als der Kern unserer Persönlichkeit sein (69). Aus Lk 6,43-45 leitet der Autor drei wichtige Erkenntnisse ab. Er stellt erstens fest, dass es „eine eindeutige Verbindung zwischen Wurzel und Frucht, zwischen unserem Herzen und unserem Verhalten“ (75) gibt. Menschen handeln entsprechend dem, was in ihrem Herzen ist. Deshalb kann es grundlegende Veränderung nur geben, wenn sich das Herz verändert (75). Aus diesem Grund muss biblische Seelsorge auf das Herz abzielen (75).  Wenn der Mensch nun falsch handelt ist die Ursache, dass er einen Götzen in seinem Herzen hat: „Ein Götze im Herzen ist alles, was in meinem Leben die beherrschende Stellung einnimmt, die eigentlich Gott haben sollte.“ (76). Biblische Seelsorge ist darum ein Kampf um das Herz (81). Einerseits wird das menschliche Herz von Götzen erobert, indem sich oftmals legitime Wünsche in uns schnell zu Forderungen, Bedürfnisse und Erwartungen verwandeln (95-97). Andererseits gilt es in der biblische Seelsorge neben dieser „Alltagswirklichkeit des Kriegs um das Herz“ (103), auch die Wirklichkeit unserer „Identität als Kind Gottes und der Kraftquellen“, (103) die damit verbunden sind, im Blick zu behalten. Dann kann uns geholfen und der Krieg um das Herz gewonnen werden.

Man kann Tripp dankbar sein, dass er auf über 100 Seiten diese wichtigen theologischen Grundlagen für die Seelsorge so gründlich und gut nachvollziehbar herausarbeitet. Da es auf diesem Gebiet große Unkenntnis gibt, ist unbedingt nötig, dass Christen – und gerade Menschen, die anderen helfen wollen – diese grundlegendende Dinge klar erklärt bekommen: was das Evangelium ist, was die Sünde mit dem Menschen macht, wie das menschliche Herz funktioniert etc. Dieser Hauptteil ist aus meiner Sicht der stärkste Teil im Buch und macht schon alleine dieser Werk zu einer lesenswerten Lektüre.

Im nächsten Hauptteil erklärt Tripp nun vier Elemente des „biblischen Dienstes von Mensch zu Mensch“. Er betont, dass sich der „Seelsorger“ bei allem als ein Botschafter Christi verstehen soll: Er muss seine Botschaft weitergeben, er soll seine Methoden verwenden, er soll seinen Charakter widerspiegeln (119f). Die vier Elemente des „biblischen Dienstes von Mensch zu Mensch“ Lieben, Kennen, Sprechen, Tun sollen dazu eine Hilfe sein.

Den Nächsten zu lieben ist –wie zu erwarten war – auch für Tripp die Basis für den „Dienst von Mensch zu Mensch“. Dabei ist Gottes Beziehungsaufbau zu uns Menschen (Rechtfertigung und Adoption vor Heiligung) für Tripp Begründung und Vorbild dafür, wie wir „erlösende Beziehungen“ zu anderen Menschen aufbauen sollen: „Auch als Botschafter Christi müssen wir den Anfang machen, indem wir Beziehungen der Liebe, der Gnade und des Vertrauens zu anderen Menschen aufbauen.“ (134). Wie kann man nun solche „erlösenden Beziehungen“ aufbauen? Man soll a) „in die Welt des anderen eintreten“. Tripp betont, dass es hier entscheidend ist, sich auf die Person des anderen zu konzentrieren und nicht auf die Situation oder die Probleme (138-143). Des Weiteren geht es b) darum, „die Liebe Christi zu verkörpern“, also um die Herausforderung nicht nur „die Wahrheit zu sagen, sondern auch, deren echte, lebendige Veranschaulichung aus Fleisch und Blut zu sein.“ (147). Ferner ist der biblische Seelsorger gefordert c) „mit dem Leid des Anderen mitzuempfinden“. Er soll sich mit dem leidenden Menschen identifizieren, sich nicht über ihn stellen, sondern sich in Demut bewusst sein, dass beide eine gemeinsame Identität in Christus haben. (159-160). Schließlich soll er d) „den Anderen mit Gottes Augen sehen“, d.h. ihm mit derselben Akzeptanz zu begegnen, die er selbst von Gott empfangen hat (174).

Das zweite Element, den Anderen wirklich zu kennen, ist deshalb von so großer Bedeutung, da unser menschliches Zusammenleben häufig von großer Oberflächlichkeit geprägt ist (180). Genau wie Christus Mensch geworden ist, um unser menschliches Leben kennenzulernen, so muss auch der Seelsorger viel Mühe darauf verwenden, den anderen wirklich kennenzulernen. Vermutungen und Unterstellungen sind deshalb so problematisch, weil wir zwar oft ähnliche aber doch nicht identische Erfahrungen machen (186). Entscheidend ist nach Tripp darum, gute Fragen zu stellen (Was?, Wie?, Warum?, Wie oft/Wo?, Wann?) (195). Anschließend geht es darum, diese gewonnen Informationen sinnvoll nach biblischen Kriterien zu organisieren. Dazu schlägt Tripp die Einordung in die vier Kategorien Situation, Reaktion, Gedanken und Motive vor (206). Die in diesem Abschnitt genannten konkreten Fragen und die Vorschläge, wie man die Informationen verarbeitet, erscheinen mir sehr praxistauglich und hilfreich.

Im dritten Element „Sprechen“ geht es Tripp um Zurechtweisung bzw. Konfrontation mit der Wahrheit, damit sich etwas ändert (219). Da die meisten Menschen nichts Positives mit „Zurechtweisung“ verbinden, arbeitet Tripp zunächst ausführlich heraus, warum Zurechtweisung nötig ist und wie sie aussehen soll. Diese grundlegenden Ausführungen des Autors zu diesem unpopulären Thema in diesem Abschnitt sind – gerade in der heutigen Zeit – sehr lesenswert! Besonders aufrüttelnd ist Tripps Erklärung, warum die Konfrontation mit der Wahrheit häufig unterlassen wird. Tripp macht deutlich, dass wir eher subtile und passive (z.B. nachtragend sein) oder sogar aktivere Formen des Hasses (z.B. üble Nachrede, Rache) zulassen, statt auf gottgemäße Art mit der Sünde umzugehen, und den anderen mit der Wahrheit konfrontieren (225-228). Die Konfrontation mit der Wahrheit zu unterlassen, ist also gerade kein Zeichen der Liebe – wie man sich oft einredet – sondern ein Zeichen des Hasses. Tripp mahnt außerdem an, dass auch bei der Zurechtweisung das Evangelium nicht „draußen“ bleiben dürfe, vielmehr müssen beide Pole Trost/Rechtfertigung und Aufforderung/Heiligung betont werden: „Jeder Mensch braucht beide Seiten des Evangeliums, und zwar ständig! (239). Für die konkrete Umsetzung empfiehlt Tripp vier Schritte: a) Nachdenken – hier soll dem Anderen am besten durch Fragen geholfen werden, zu einem neuem Verständnis über sich selbst, Gott, andere oder das Leben zu kommen. b) Sündenbekenntnis – auch wenn es schwierig ist, soll es dem anderen nicht abgenommen werden oder abgeschwächt werden. c) Verpflichtung – als biblische Seelsorger müssen wir auch den Ruf Gottes nach konkreten Verpflichtungen deutlich aussprechen. d) Veränderung – hier geht es darum neue Gewohnheiten zu erlernen. So stark die grundlegenden Ausführungen in diesem Kapitel sind, so schwach sind auf der anderen Seite die Vorschläge für die praktische Umsetzung. Außer zu Punkt a) Nachdenken, bleibt Tripp weitgehend im Ungefähren. Es bleibt unklar, wie ich als Seelsorger den Anderen denn nun konkret bei den wichtigen – aber so schwierigen Dingen – wie Sündenbekenntnis, Verpflichtung und Veränderung anleite.

Als letztes Kernelement versteht Tripp das Tun: „Wir dürfen Einsicht und Veränderung nicht durcheinander bringen. Einsicht ist ein Beginn und ein Teil des Veränderungsprozesses, aber nicht das Ganze“ (269). Zunächst gilt es eine Agenda zu erstellen, also das Ziel (welche Veränderungen) und den Weg dorthin zu definieren. Erneut betont Tripp, dass dabei die Bibel die wichtigste Rolle spielt: Was sagt sie über die gesammelten Informationen? Welche Ziele Gottes gibt es für diesen Menschen in dieser Situation? Mit welchen bibelgemäßen Methoden können diese Ziele erreicht werden (273f)? Wichtig ist ferner, dem anderen klar aufzuzeigen, für welche Bereich er verantwortlich ist und in welchen Dingen er Gott vertrauen soll. Tripp arbeitet überzeugend heraus, dass Menschen entweder ihren Verantwortungsbereich vergrößern (und sich wie „Mini-Messiase“ verhalten und dann frustriert scheitern), oder ihren Verantwortungsbereich zusammenschrumpfen und Dinge unterlassen, zu denen Gott sie auffordert (280). Diese Unterscheidung ist so einfach, wie einleuchtend und dürfte sich in der Seelsorge als äußerst hilfreich erweisen. Auch während des laufenden Veränderungsprozesses ist der Seelsorger gefordert, kontinuierlich unsere Identität in Christus zu bekunden, und die Hoffnung und die Kraftquellen die damit verbunden sind, herauszustellen. Es ist Tripp anzumerken, dass er darum bemüht ist, sein Seelsorgemodell in jedem Bereich im Evangelium zu gründen – ein weiterer großer Pluspunkt in diesem Buch. Schließlich ist eine Rechenschaftsstruktur nötig, um dem anderen zu helfen, langfristig das Richtige zu tun (299f).

Insgesamt ist Tripps Werk ein sehr gutes grundlegendes Buch über biblische Seelsorge. Positiv sind vor allen Dingen die klare Orientierung an der Bibel, der am Evangelium orientierte Ansatz und die grundsätzliche Verankerung der Seelsorge als Teil der Jüngerschaft, für den alle in einer Gemeinde gebraucht werden. Deshalb wendet sich Tripp auch grundsätzlich mit seinem Buch an alle Christen, da Seelsorge bei ihm ja keine Aufgabe nur für die Spezialisten ist. Auch wenn das Buch gut lesbar, leicht verständlich und abwechslungsreich geschrieben ist, so stammen Tripps Beispiele meist doch aus seinem pastoralen Alltag und lassen sich auf den normalen Christen nicht ohne weiteres übertragen. Es wäre spannend etwas darüber zu erfahren, wie denn nun ein Christ, der keinen besonderen Seelsorgedienst hat, damit konkret beginnen kann, für seine Geschwister ein Werkzeug Gottes zu werden. Dennoch ist Tripps Buch ein hervorragendes einführendes Werk in die biblische Seelsorge und sollte aus den genannten Gründen von möglichst jedem Christen gelesen werden!