Warum man auch mal „Richter“ lesen sollte

Wenn man eine Statistik über die am wenigsten gelesenen oder gepredigten Bücher der Bibel anfertigen würde, wäre das Buch Richter zweifellos dabei. So findet man in der  Perikopenordnung der Evangelischen Kirchen nicht einen Predigttext aus diesem Buch und auch ich persönlich kann mich nicht erinnern, mal in einem Gottesdienst eine Predigt zu einem Richter-Text gehört zu haben.

In unserer Bibelstunde haben wir uns vor einiger Zeit (über insgesamt 14 Wochen) mit dem ganzen Richter-Buch beschäftigt. Und auch wenn die Bibelstunde bei uns in erster Linie von langjährigen Christen besucht wird, gab es für alle eine ganze Menge Neues zu entdecken.

Warum lohnt es sich, auch die unbekannteren und nicht so beliebten biblischen Bücher – und das Buch Richter im Speziellen – zu studieren?

  1. Die ganze Bibel ist das Wort Gottes und als solches „nütze zur Lehre, zur Zurechtweisung, zur Besserung…“ (2Tim 3,16f).

Das ist eine richtige und ganz wichtige Überzeugung! Aber ob wir sie wirklich glauben und danach handeln, zeigt sich erst, wenn wir wirklich Interesse an der ganzen Bibel haben. Wie sieht es also aus mit deinem Interesse am Buch Richter? Oder am Buch Numeri, an den Chroniken-Büchern, am Propheten Zefanja oder am Judasbrief?

Übrigens: wir haben bei jedem einzelnen Text einige sehr konkrete Anwendungen für uns und unsere heutige Zeit gefunden – was 2Tim 3,16f sagt, stimmt also wirklich 😉

  1. Wir verstehen den großen Zusammenhang der biblischen Heilsgeschichte besser

Wer seine Aufmerksamkeit immer nur auf einzelne Verse oder Kapitel konzentriert, kann nur sehr schwer ein Gesamtbild von der Bibel bekommen. Weil die Bibel aber nicht nur eine Sammlung von 66 Büchern ist, sondern auch ein Buch, darum erzählt sie auch eine Geschichte. Jedes einzelne biblische Buch trägt zum Gesamtbild seinen Anteil bei.

Das Buch Richter zeigt uns einerseits, warum Israel das von Gott verheißene Land nicht vollständig eroberte, obwohl es Mose und Josua doch zugesagt war (Ri 1,1-2,5). Es bereitet uns ferner auf die Könige-Zeit vor, indem immer wieder deutlich gemacht wird, dass aufgrund der Abwesenheit eines Königs das Volk im Chaos versinkt (Ri 17,6 u.a.). Und vor allem bereitet es uns auf das Kommen des vollkommenen Königs und Retters Jesus Christus vor. So wird in jeder Erzählung und bei jedem einzelnen Richter deutlich, wie begrenzt und unvollkommen doch die geschenkte Rettung ist und dass es einen besseren und größeren Retter braucht.

  1. Das Buch Richter zeigt uns, wie eine gottlose Gesellschaft aussieht

„So ein grausames Buch, warum soll ich das lesen…?“, fragt mancher, wenn er vom Buch Richter hört. Und in der Tat schildert uns das Buch Richter schreckliche Gewalt und viele grausame Geschichten (Jeftah, ein gläubiger Mann, der seine Tochter opfert in Ri 11, ein Mann der seine Nebenfrau vergewaltigen lässt in Ri 19 usw.) Es zeigt uns in schonungsloser Offenheit, wozu Menschen fähig sind. Die Erklärung im Buch Richter ist äußerst beunruhigend: Zu der Zeit war kein König in Israel, und jeder tat, was ihn recht dünkte (Ri 17,6). Wir lernen: wenn wir Menschen tun, was wir persönlich für richtig halten, endet das im Fiasko. Wir brauchen jemanden, der uns sagt was gut ist, der uns Grenzen setzt und Weisung gibt. Letztendlich brauchen wir Gott und seine gute Herrschaft.

  1. Das Buch Richter zeigt uns, dass Gott trotz allem Chaos souverän ist

„Wo ist Gott?“, mag man sich angesichts des großen Chaos im Buch Richter fragen (und man kann sich das genauso gut angesichts des großen Chaos in unserer heutigen Welt fragen). Das Buch Richter lehrt uns, dass Gott – trotz allem – stets souverän ist und alles unter seiner Kontrolle hält. Ein gutes Beispiel ist der Simson-Zyklus in Ri 13-16. Simson, obwohl von Gott berufener Richter, lädt jede Menge Schuld auf sich. Er ist nicht immer gehorsam und sicher nicht in jeder Situation ein Glaubensvorbild. Trotz allem wirkt Gott gerade durch diesen Mann und seine oftmals sündigen Handlungen. (erhellend ist Ri 14,4: Aber sein Vater und seine Mutter wußten nicht, daß es von dem HERRN kam; denn er suchte einen Anlaß gegen die Philister.)

  1. Das Buch Richter zeigt uns, wie groß Gottes Gnade ist

Immer und immer wieder heißt es im Buch Richter, dass die Israeliten „taten, was dem Herrn missfiel“. Immer und immer wieder heißt es aber auch, dass die Israeliten zum Herrn schrien und der Herr sie errettete. Wer gibt so viele Chancen? Nur Gott, der Vater unseres Herrn Jesus Christus! Das Buch Richter macht den Gott der Gnade groß!

8 Gedanken zu „Warum man auch mal „Richter“ lesen sollte

  1. Danke für den interessanten Beitrag! 😊 ich glaube, ich habe bisher tatsächlich kaum im Richter-Buch gelesen- das werde ich wohl ändern müssen 😉
    Ich finde es prinzipiell spannend, Bücher chronologisch durchzuarbeiten – es gibt immer wieder soo viel Neues in der Bibel zu entdecken 😊

  2. Danke für dein Feedback.
    Es freut mich, dass ich Mut machen konnte, auch die unbekannteren Teile der Bibel zu lesen… 🙂 Wenn man ganze Bücher am Stück von vorne bis hinten durcharbeitet, hat man auf jeden Fall am meisten davon, da bist du absolut auf der richtigen Spur…!

  3. Pingback: Motivation zum Lesen des biblischen Buchs "Richter" -

  4. Danke für diesen Artikel! Ich denke auch, dass es keinen Teil der Bibel gibt, den man ohne Verlust auslassen kann. Ich finde das Buch der Richter zugleich deprimierend und ermutigend – deprimierend, weil man sieht, wie verwirrt Gottes Volk sein kann, wenn ihm die Führung durch das Wort fehlt (und ach, es gibt leider mehr Parallelen zu uns als wir gerne hätten!), ermutigend, weil es zeigt, wie Gott immer wieder voller Erbarmen ist mit unserem Elend, wenn sein Volk zu ihm schreit. Man kann auch deutlich sehen, wie Sünde uns in eine Abwärtsspirale zieht. Mir war ein englischer Kommentar zum Buch Richter ein ganz besonderer Augenöffner: „Judges – such a great salvation“ von D.R. Davis. Da hab ich fast auf jeder Seite was markiert ;). Leider gibt es den nicht auf Deutsch.

  5. Das Buch der Richter ist echt faszinierend! Es hängt aber auch vom Charakter ab, ob man diese Kost verträgt oder sie nicht ab und zu ein bisschen zu hart für einen ist, mit den vielen Kriegen. Aber das spiegelt die damalige Zeit sehr deutlich wieder, und wenn man über unsere Welt heute ein Buch schreiben würde, dann sähe es dem Buch der Richter leider erschreckend ähnlich…

  6. Danke für eure guten ergänzenden Gedanken! Die Auslegungen von Davis finde ich auch immer sehr wertvoll. Zum Richter-Buch ist außerdem noch „Judges for you“ von Tim Keller sehr hilfreich.
    Ja, die harte Kost des Richter-Buches kann abschrecken. Auf der anderen Seite ist das Buch eben auch trostvoll, indem es uns darauf aufmerksam macht, dass Gott in allen Kriegen, allem Chaos und den ganzen beschrieben Tragödien souverän ist (Punkt 4)!

  7. Pingback: Motivation zum Lesen des biblischen Buchs „Richter“ – biblipedia.de

  8. Pingback: Das war 2017 – biblipedia.de

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