Eure Rede aber sei: Ja, ja, nein, nein

17 Ihr sollt nicht meinen, daß ich gekommen bin, das Gesetz oder die Propheten aufzulösen; ich bin nicht gekommen aufzulösen, sondern zu erfüllen.  18 Denn wahrlich, ich sage euch: Bis Himmel und Erde vergehen, wird nicht vergehen der kleinste Buchstabe noch ein Tüpfelchen vom Gesetz, bis es alles geschieht.  19 Wer nun eines von diesen kleinsten Geboten auflöst und lehrt die Leute so, der wird der Kleinste heißen im Himmelreich; wer es aber tut und lehrt, der wird groß heißen im Himmelreich. (Matthäus 5,17-19)

33 Ihr habt weiter gehört, daß zu den Alten gesagt ist: »Du sollst keinen falschen Eid schwören und sollst dem Herrn deinen Eid halten.«  34 Ich aber sage euch, daß ihr überhaupt nicht schwören sollt, weder bei dem Himmel, denn er ist Gottes Thron;  35 noch bei der Erde, denn sie ist der Schemel seiner Füße; noch bei Jerusalem, denn sie ist die Stadt des großen Königs.  36 Auch sollst du nicht bei deinem Haupt schwören; denn du vermagst nicht ein einziges Haar weiß oder schwarz zu machen.  37 Eure Rede aber sei: Ja, ja; nein, nein. Was darüber ist, das ist vom Übel. (Matthäus 5,33-37)

Die Frage die sich stellt, wenn wir die Verse 17-19 mitlesen:  Was haben die Gebote Gottes, die Gebote der Bibel, die Gebote die auch im AT erwähnt sind, mit dem Christsein zu tun? Jesus sagt hier: Die Gebote – ausgenommen die kultischen Vorschriften, die sich im Opfer Jesu ja erfüllt haben – behalten ihre Verbindlichkeit. Und Jesus dekliniert das dann anhand von einigen Beispielen durch – ja er verschärft es sogar. Das ist die Absicht der Bergpredigt, aus dem dieser Text stammt. Jesus redet zu seinen Jüngern, zu den Menschen, die ihm nachfolgen und er sagt ihnen:  „So sieht der gelebte Glaube aus, so sieht echte Nachfolge aus, wenn meine Botschaft, mein Evangelium auf fruchtbare Herzen stößt!“ Die Bergpredigt zielt darauf ab, dass der Wille Gottes praktisch umgesetzt wird. Nur das Haus, das auf dem Felsen steht, hat ja Bestand. Nur der Glaube, der Frucht bringt, ist echt. Ein Glaube, der nichts verändert, ein Glaube ohne Werke ist tot. Deshalb gehören die Gebote eben auch zum Christsein. Sie sind nicht die Vorbedingung um von Gott angenommen zu werden. Aber sie zeigen uns unsere Unvollkommenheit, sie zeigen uns, dass wir Hilfe – Gottes Hilfe – nötig haben. Und sie helfen uns, ein gelingendes Leben zu führen – unser Miteinander zu verbessern.

Wenn wir also von Geboten und Aufforderungen in der Bibel lesen, in der Predigt hören – dann geht es dabei nie – und das ist ganz wichtig – um ein „Du musst, damit Gott dich liebt.“ Nein, es geht vielmehr darum, dass der Christ mit lebendigem Glauben, aus froher Dankbarkeit über das was Gott ihm so reichlich Gutes getan hat, dankbar antwortet, indem er die Gebote ernst nimmt und mit Gottes Hilfe und seinem Heiligen Geist in seinem Verhalten und seinem Charakter wächst, auf dass er in der Heiligung zunimmt und Gott der all das für ihn möglich gemacht hat, dadurch verherrlicht und ehrt! Das ist die Motivation für jedes Gebot, für alles christliche Verhalten – sonst nichts und das muss hier vorneweg gestellt werden! Das ist ganz wichtig.

  1. Wie ist es aber nun mit dem Schwören?

Ist das Schwören nun erlaubt oder nicht? Oder was will Jesus uns eigentlich hier mit seinen Worten sagen?

Es wird die Geschichte erzählt von einem sehr reichen Geschäftsmann, der todkrank war und im Krankenhaus lag. Eines Tages wurde er von seinem Pastor besucht. Er sprach mit ihm über Gottes Allmächtigkeit, seine Kraft zu heilen, darüber dass Jesus der große Arzt ist und er betete für ihn. Als der Pastor gerade gehen wollte,  sagte der Geschäftsmann voller Ernst: „Mensch, wenn Gott mich wirklich heilen sollte – wow, dann wär ich so dankbar – ich schwör, würde ich der Gemeinde 1 Million Euro spenden!“ Und tatsächlich: nur kurze Zeit später wurde der Geschäftsmann wieder ganz gesund und konnte aus dem Krankenhaus entlassen werden. Einige Monate später traf der Pastor den Geschäftsmann zufällig in der Stadt und sagte zu ihm: „Du weißt doch noch, als du todkrank im Krankenhaus lagst, hast du dem Herrn versprochen der Gemeinde 1 Million Euro zu geben, wenn Gott dich heilt. Nur zu deiner Info: bei uns ist da bisher noch nichts angekommen…“ Der Geschäftsmann antwortete: „Das hab ich wirklich gesagt??? Ich denke, das zeigt ja nun wirklich wie schwer krank ich war….“

Sind solche falschen Versprechen, solche nicht eingehaltenen Eide hier gemeint? Ja, das ist sicherlich das Eine, worum es Jesus geht: Ihr habt weiter gehört, daß zu den Alten gesagt ist: »Du sollst keinen falschen Eid schwören und sollst dem Herrn deinen Eid halten.« Jesus befindet sich damit voll auf einer Linie mit dem AT – das Gebot gilt – Menschen, die Jesus nachfolgen sollen keine falschen Eide schwören, sie sollen nichts versprechen, was sie nicht auch halten. Das gilt nicht nur für die ganz großen Dinge des Lebens – so wie in der Beispielgeschichte oder wenn man ein Eheversprechen abgibt – sondern auch in den ganz alltäglichen Dingen. „Versprichst du mir, dass du mir hilfst?“, wirst du gefragt – „Ja, natürlich helfe ich dir!“ – Wenn du es versprichst, dann halt es auch!

Aber Jesus geht ja mit seinen Worten noch weiter: 34 Ich aber sage euch, daß ihr überhaupt nicht schwören sollt, weder bei dem Himmel, denn er ist Gottes Thron;  35 noch bei der Erde, denn sie ist der Schemel seiner Füße; noch bei Jerusalem, denn sie ist die Stadt des großen Königs.  Sollen wir also überhaupt nicht schwören, nichts versprechen, dürfen Christen keinen Amtseid z.B. ablegen? Aber was passiert dann, wenn sie unter Eid vor Gericht aussagen sollen?

Um diese Frage zu beantworten müssen wir den Hintergrund etwas verstehen, wie das zur Zeit Jesu war. Zur Zeit Jesu wurde sehr viel geschworen – man schwörte z.B. beim „Himmel“, beim „Tempel“, beim Schatz des Tempels, bei der Stadt Jerusalem oder noch ganz anderen Dingen. Und je nachdem welches Objekt man hier beim Schwur genannt hat, bei welcher Sache man geschworen hat, desto verbindlicher oder auch unverbindlicher war ein Schwur. Da konnte man sich hinterher rausreden: „Ich hab ja nur beim Tempel allgemein und nicht beim Schatz des Tempels geschworen…. – Wenn ich es wirklich ernst gemeint hätte, hätte ich beim Schatz des Tempels geschworen…“ Jesus hält von alledem nichts. Er ist da ganz radikal. Er sagt: „Bei diesem ganzen System der abgestuften Eide, die mehr oder weniger wert waren, da sollt ihr nicht mitmachen! Und wenn euch das verführt zum Eidesmissbrauch, zum leichtfertigen Schwören, dann lasst es lieber ganz!“ Das ist es, was Jesus verbietet – nicht den Eid, nicht den Schwur generell – schließlich lässt sich Jesus bei seinem Verfahren selbst unter Eid stellen und Gott selbst schwört in der Bibel auch! Nein, was Jesus verbietet, ist der leichtfertige Schwur, der Eidesmissbrauch. Aber es steckt darin auch noch ein tiefere Wahrheit, ein ganz wertvolles Ideal – und damit sind wir am Kern dieser Worte Jesu

  1. Jesus verpflichtet zu unbedingter Wahrhaftigkeit

Schauen wir nochmal auf V. 37: Eure Rede aber sei: Ja, ja; nein, nein. Was darüber ist, das ist vom Übel.“ Ein Christ erzählt von seiner längeren Tätigkeit in China: „Wenn man das Vorrecht oder die Pflicht hat, in einem fremden Land zu arbeiten, dann empfiehlt sich vorher ein Kursus, der uns in die Gepflogenheiten dieses Landes einführt. So ist es mir auch mit der Volksrepublik China gegangen. Eine Botschaft war für mich besonders wichtig: Das fehlende NEIN in China. Ein Chinese sagt immer JA. Aber aus der Art, wie er JA sagt, muss man heraushören, was er meint: „JA, das müssten wir vielleicht einmal machen“ bedeutet in etwa, dass der Vorschlag so dumm ist, dass man ihn gar nicht in Betracht ziehen sollte. „JA, das sollten wir vielleicht morgen noch einmal bedenken“ bedeutet in etwa: „Wenn Du mir nicht mit besseren Fakten kommst, werde ich das nicht machen.“ „JA, das ist gut, das sollten wir machen“ bedeutet in etwa: „Im Moment fällt mir nichts ein, was dagegen spricht. Schau’n wir mal…“ „JA, ich setze mich sofort daran und kümmere mich darum.“ Hier beginnt das, was man umgangssprachlich unter JA versteht, aber man sollte sich auch jetzt nicht zu sehr darauf verlassen. Und dieser Christ schlussfolgert: China ist eine höfliche Welt, aber wer die vielen Varianten des JA, das ein verstecktes NEIN ist, nicht kennt, kann ganz große Enttäuschungen erleben.“ Und er berichtet weiter: China ist kein christliches Land. Denn wir haben durch Christus eine ganz andere Botschaft: „Es sei aber eure Rede: Ja, ja! Nein, nein! Was darüber ist, das ist vom Bösen.“

Dieses Beispiel zeigt uns worauf Jesus hinaus will: es sind keine Detailfragen des richtigen Schwörens. Es geht ihm um die ganz praktische Frage, ob das was wir sagen ernst zu nehmen ist, ob wir wahrhaftig, klar und eindeutig sprechen. Wenn ihr „Ja“ sagt, sollt ihr „ja“ meinen, wenn ihr „nein“ sagt, sollt ihr klar und eindeutig „nein“ meinen. Jeder beschwörende Zusatz ist dann im Grunde unnötig. Und jede sich einschleichende Unehrlichkeit, Halbwahrheit oder Halbherzigkeit beim Reden ist vom Bösen und soll sich gar nicht erst vorkommen!

Jesus will, dass das was wir sagen mit dem was wir meinen, identisch ist! Bei ihm gibt es keine zwei Klassen von Worten – Worte, die nicht ganz so ernst zu nehmen sind und andere, die man sehr ernst nehmen kann. Nein, Jesus fordert uns auf: Sagt was ihr meint, sagt klar und deutlich „Ja“ oder sagt klar und deutlich „Nein“

Wenn man ehrlich ist, ist das gar nicht immer so einfach. Da werden wir gefragt, ob wir bei dieser oder jener Veranstaltung dabei sein werden und antworten „Ja, mal schauen…“ Wie oft heißt diese Antwort im Grunde aber „Nein, ich werde nicht dabei sein, aber ich muss mir noch den Grund für meine Absage überlegen….“ Oder man hat den Anrufer am Telefon, von dem man genervt ist und den man schnellstmöglich wieder loswerden will. „Du, ich muss jetzt ganz schnell aus dem Haus, habe noch einen Termin“, sagt man ihm – aber das stimmt vielleicht gar nicht. Oder wir sind in der Diskussion über ein Thema und unser Gegenüber stellt ganz selbstbewusst eine Meinung in den Raum, die wir überhaupt nicht teilen: „man müsste das und das doch so und so handhaben…“ – aber wir wollen lieber unsere Ruhe oder scheuen den Konflikt und sagen: „Ja, ja, du hast schon irgendwo Recht…“ Jesus sagt: „Eure Rede aber sei: Ja, ja, nein, nein. Was darüber ist, das ist vom Übel.“

Besonders gilt das auch für die Zusagen, die wir anderen geben: Was sagst du also anderen Menschen zu? Kann man sich auf dein Wort auch verlassen, wenn du nicht ausdrücklich dazu sagst „ich verspreche es dir?“ Wozu gibt’s du deine Zustimmung, wozu gibt’s du dein Ja oder auch dein Nein? Sagst du was du meinst? Oder sagst du das, wovon du meinst, dass der andere es hören will? Jesus sagt: „Eure Rede aber sei: Ja, ja, nein, nein. Was darüber ist, das ist vom Übel.“

Um das zu leben, das durchzuhalten, immer wahrhaftig das zu sagen, was wir meinen, dazu braucht es eine innere Freiheit, dazu braucht es auch Mut, dazu braucht es auch mal Überwindung, dann nämlich, wenn wir unsere Zusagen einhalten wollen, die uns zum Nachteil sind. In solche Situationen kommt man ja immer wieder mal. Da hat man einen Termin zugesagt und dann ergibt sich noch was anderes, was man eigentlich lieber wahrnehmen möchte… Dann gilt es, sich auch mal zu überwinden!

„Eure Rede aber sei: Ja, ja, nein, nein. Was darüber ist, das ist vom Übel.“ Als Christen haben wir eine besondere innere Freiheit, die uns von Christus geschenkt ist. Wir haben sie, weil Christus uns befreit hat, weil in ihm unsere Identität ist – weil wir uns nicht durch die Meinung anderer, durch unsere Beliebtheit definieren müssen. Wir können darum sagen, was wir wirklich meinen – auch wenn wir da nicht immer auf Gegenliebe stoßen. Nicht, dass wir unfreundlich sein sollen oder uns nicht taktvoll verhalten sollen. Aber wir können uns trauen, zu sagen was wir meinen: nicht die Beliebtheit bei anderen ist das was uns definiert. Sondern das was wir für Gott sind, das definiert uns. Und wer an Jesus glaubt, zu dem sagt Gott: du bist mein Kind, für das ich mein Liebstes – meinen geliebten Sohn – gegeben haben. Hier, in Christus liegt unsere Identität! Als Christen können wir darum mutig sein, weil Jesus bei uns ist. Wir brauchen keine Angst, keine Menschenfurcht zu haben – er ist da, er bewahrt uns, er ist souverän und allmächtig, von seinem Segen kann uns nichts trennen. Und ganz wichtig: Als Christen können wir uns auch überwinden, etwas zu tun, das uns zum Nachteil dient und anderen zum Vorteil! Denn: Jesus hat das ja auch getan! Er hat den Himmel verlassen, er hat sein menschliches Leben riskiert, verloren, ja für uns gegeben. Er hat etwas zu seinem Nachteil getan, damit es für uns zum großen Vorteil wird. Und durch ihn – da sind wir immer auf der Gewinnerseite, weil er uns diesen großen Vorteil schenkt – und zwar auch wenn wir in einem konkreten Fall mal einen Nachteil erleben, weil wir – gegen unser Empfinden – das tun, was wir zugesagt haben. Jesus sagt: „Eure Rede aber sei: Ja, ja, nein, nein. Was darüber ist, das ist vom Übel.“

Gott helfe uns, auch in seinen Geboten zu erkennen, dass er es gut mit uns meint – dass sie uns gegeben sind, um uns zu helfen. Er schenke uns veränderte Herzen, dass wir aus Dankbarkeit als wahrhaftige Christen leben und reden und zu unserem Wort stehen. Damit unser Zusammenleben mit anderen gelingt und unser Herr verherrlicht werde.